: Nichtraucher gegen Garbáty
Der Nichtraucherbund wendet sich mit instinktlosem Brief gegen die Benennung eines Platzes in Pankow nach dem jüdischen Zigarettenfabrikanten Josef Garbáty
Die Benennung des Platzes vor dem S- und U-Bahnhof Pankow nach dem jüdischen Zigarettenfabrikanten Josef Garbáty hat überraschenden Protest ausgelöst. Nachdem die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) im April einstimmig die Namensgebung und die Errichtung einer Stele für die von den Nazis verfolgte Familie beschlossen hat, hat sich jetzt der Nichtraucherbund Berlin e.V. zu Wort gemeldet.
In einem Brief des Vereins an die BVV ist von einem „Affront“ und „fehlendem politischen Instinkt“ die Rede. Es sei „grotesk, wenn jemand für die Herstellung eines risikovollen Produktes geehrt werden sollte“, so die Nichtraucher. Garbáty habe als Zigarettenfabrikant „profitorientiert gewirkt“.
Abgesehen davon, dass der Nichtraucherbund nicht einmal die richtige Schreibweise beherrscht und „Garbarty“ schreibt, muss er sich fragen lassen, wem es an politischem Instinkt mangelt. Nicht anders ist die Frage zu erklären, „ob und gegebenenfalls wie“ sich Garbáty „um Berlin verdient gemacht“ habe. Bekanntermaßen war der Zigarettenfabrikant, der beispielsweise 1918 eine Arbeitslosenfürsorge einführte, ein Unternehmer, der soziale Projekte betrieb und finanziell unterstützte.
Der Vorsitzende des Kulturausschusses, Rainer Eigendorff (PDS), spricht von einem „politischen Skandal ersten Ranges“. Das der Familie Garbáty zugefügte Unrecht allein rechfertige eine Ehrung, schrieb er dem Nichtraucherbund. Er wirft den Verfassern des Briefes „eine verdeckte antisemitische Position“ vor: „Ihre Argumentation liegt sehr nahe an Äußerungen von rechts, wo vom ‚jüdischen Suchtmittelfabrikanten‘ die Rede war.“
Auch der ehemalige technische Leiter der Zigarettenfabrik, Ernest Grzondziel, findet das Schreiben grotesk: „Es geht nicht um den jüdischen Zigarettenfabrikanten, sondern um einen höchst sozialen Unternehmer“, sagte er gegenüber der taz. Weil derzeit sowohl die Finanzierung der Stele als auch der Beschilderung der U- und S-Bahn-Station, die am 16. September eingeweiht wird, noch unklar ist, hat er eine Spende von 30.000 Mark angeboten. Der Baustadtrat von Pankow hat zudem ein Spendenkonto eingerichtet.
Die Bemühungen, in Pankow einen Ort nach Garbáty zu benennen, ziehen sich schon lange hin. Nachdem die BVV die Benennung einer Straße beschlossen hatte, wurde der Beschluss nach der Einreichung von tausenden von Unterschriften von Anwohnern und Geschäftsleuten wieder gekippt. Die „Kommission Bürgerarbeit“ forderte 1999 erneut die Benennung einer Straße, nachdem die „Republikaner“ mit ihrer Bundesgeschäftsstelle in das Gartenhaus der Villa Garbáty gezogen waren.B. BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA
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