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Sprengstoff für Rot-Grün

Die Genehmigung einer Munitionsfabrik für die Türkei empört Abgeordnete der Grünen.Sie sehen Rüstungsexport-Richtlinien verletzt. Eine Entscheidung fiel im Bundessicherheitsrat

BERLIN taz ■ Bei der Genehmigung für das jüngste deutsch-türkische Rüstungsgeschäft fühlt sich die grüne Bundestagsfraktion von der eigenen Regierung hintergangen. Auslöser der Kontroverse in der rot-grünen Koalition ist die gestern bekannt gewordene Lieferung von Maschinen zur Munitionsherstellung an die Türkei im Wert von 90 Millionen Mark. „Es ist ein Verstoß gegen die Rüstungsexportrichtlinien“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin Angelika Beer der taz. „Wir erwarten eine Erklärung der Bundesregierung.“

Die grüne Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Claudia Roth, sieht in der Lieferung einen „klaren Widerspruch zu den Richtlinien“, was „heftig zu kritisieren“ sei. „Wir halten gar nichts von dieser Entscheidung“, erklärte der Außenpolitik-Experte der Fraktion, Christian Sterzing. Sterzing und Beer haben darum eine parlamentarische Anfrage an die Regierung gerichtet.

Der geballte Protest bedeutet ein Alarmzeichen für Bundesaußenminister Joschka Fischer. Nach Informationen der taz fiel die Genehmigung für den Export im Bundessicherheitsrat, in dem auch das Auswärtige Amt (AA) vertreten ist. Für zusätzliche Verärgerung sorgt daher in der Fraktion der Eindruck, wie auch schon beim Streit um die Lieferung von Leopard-II-Panzern, im Dunkeln gelassen worden zu sein. „Die Brisanz von Rüstungsexporten in die Türkei dürfte inzwischen jedem bekannt sein“, sagte Angelika Beer. Während man sich im AA sicher ist, die Fraktion auf die Entscheidung des Sicherheitsrates vorbereitet zu haben, sagte Beer der taz: „Ich bin vor der Entscheidung nicht informiert worden.“

Die Genehmigung ist nach taz-Informationen unter den neuen Rüstungsexport-Richtlinien gefallen, die auf Betreiben der Grünen verschärft wurden, um eine Wiederholung der Panzerkrise zu verhindern. Zu Fischers Abstimmungsverhalten in dem geheim tagenden Bundessicherheitsrat hieß es im AA nur, Fischers restriktive Haltung in Rüstungsexportfragen sei hinlänglich bekannt. In den Exportrichtlinien heißt es unter anderem: „Der Beachtung der Menschenrechte im Bestimmungsland wird bei den Entscheidungen besonderes Gewicht beigemessen.“ Genehmigungen „werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression oder zu fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden“.

Das hessische Unternehmen Fritz Werner unterzeichnete am vergangenen Mittwoch den Vertrag mit dem türkischen Verteidigungsministerium. Das Bundeswirtschaftsministerium bestätigte gestern, dass die notwendigen Genehmigungen erteilt worden waren. Im Zuge einer Nato-Umrüstung auf eine neue Munitionsgröße stellt die Türkei ihre Produktion von Kaliber 7.62 auf Kaliber 5.56 um. Das Argument, es handele sich nur um die Umstellung von Waffenstandards, nicht um eine Aufrüstung, ließ Roth nicht gelten. „Wenn Herr Scharping zu Recht sagt, Panzer kann man derzeit wegen der Menschenrechte nicht liefern, dann kann man auch nichts anderes liefern“, sagte Roth der taz. Waffenexporte seien „das Gegenteil eines Freundschaftsdienstes für die Türkei“, die eine gesellschaftliche statt einer militärischen Modernisierung brauche. PATRIK SCHWARZ

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