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union strebt nach rechtsGefährliche Integration

Vor vier Wochen kam das Thema auch dem rechten Flügel in der Union gerade recht. Die längst überfällige Debatte über rechte Gewalt füllte das Sommerloch, und darüber konnte die krisengeschüttelte Partei nur froh sein. Denn hätten nicht Grüne und Thierse das Thema im Juli auf die Tagesordnung gesetzt und hätte ihnen nicht vor allem der Düsseldorfer Anschlag den nötigen Resonanzboden verschafft – dann hätte die Republik während der Ferien gewiss über nichts anderes diskutiert als über die Blamagen der neuen CDU-Führung im Umgang mit Kanzler Schröder und Exkanzler Kohl.

Kommentarvon RALPH BOLLMANN

Jetzt aber wird in der Union der Ruf nach einem Ende der Debatte laut. Denn die Auseinandersetzung hat sich auf ein Feld verlagert, auf dem nicht nur Hessens Ministerpräsident Roland Koch strategische Nachteile für die Union wittert. Auf der Anklagebank sitzen nicht mehr allein rechte Schläger und NPD-Funktionäre, sondern „geistige Brandstifter“ aus dem demokratischen Spektrum. Das hat jetzt auch den Berliner CDU-Fraktionsvorsitzenden Klaus Landowsky und die Schweriner CDU-Landeschefin Steffie Schnoor aufgeschreckt.

Wenn jedoch CDU-Politiker nicht mehr zu verbalen Attacken gegen die „Ausländerflut“ ausholen oder Kampagnen gegen den Doppelpass starten dürfen, dann sehen Koch und seine Mitstreiter einen der Grundpfeiler der christdemokratischen Strategie in Gefahr – die Fähigkeit, den rechten Rand des politischen Spektrums zu integrieren und damit die Mehrheitsfähigkeit der Christdemokraten zu sichern.

Allerdings: Auch im gegnerischen Lager gilt es mittlerweile als historische Leistung der CDU, dass sie nach dem Krieg eine bedeutende Zahl kleiner und großer Nazis mit der parlamentarischen Demokratie versöhnt und damit den dauerhaften Erfolg einer rechtsradikalen Partei in der Bundesrepublik verhindert hat.

Der Preis dafür war jedoch hoch, bisweilen zu hoch: So zählten zu den ersten Gesetzen der jungen Bundesrepublik Amnestien für NS-Straftäter. Und wenn Roland Koch Kampagnen auf dem Rücken von Ausländern für unverzichtbar hält, dann hat er diese Grenze ebenfalls überschritten. Den rechten Rand ins parlamentarische System zu integrieren – diese Aufgabe kann eine Partei nur dann erfüllen, wenn sie selbst auf demokratische Weise agiert. bericht SEITE 6

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