: Der Reue nachhelfen
Regenbogen veröffentlicht Namen Hamburger Unternehmen, die Zwangs-arbeiterInnen beschäftigt, aber nicht entschädigt haben ■ Von Elke Spanner
Manchmal wendet das Blatt sich schnell. Gestern Morgen noch kannte Bernd Sieverts nicht einmal die Aufforderung an alle Firmen, die im Nationalsozialismus ZwangsarbeiterInnen beschäftigten, der Bundesstiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zu deren Entschädigung beizutreten. Am Nachmittag sagte der Inhaber der „Hamburg-Bergedorfer Stuhlrohrfabrik“ zu, sich umgehend die Kontonummer zu besorgen und Geld zu überweisen. Auch Hellmut Wempe, Inhaber des Juwelierunternehmens Wempe, tritt nun „selbstverständlich sofort der Stiftung bei. Ich bedauere, das bisher versäumt zu haben“. Den spontanen Entschlüssen hatte die Regenbogen-Gruppe nachgeholfen: Sie veröffentlichte gestern die Namen von acht Hamburger Firmen, die nachweislich von ZwangsarbeiterInnen profitierten, diese bisher aber nicht entschädigen wollen.
Die Norderwerft beispielsweise. Nach dem Krieg, so eine Mitarbeiterin, sei die Firma zweimal in Konkurs gegangen, der alte Eigner nicht mehr derselbe wie heute und an den Beitritt zur Stiftung folglich nicht zu denken. Tatsächlich gehört die Norderwerft inzwischen der Firma „J.J. Sietas“ – die ebenfalls ZwangsarbeiterInnen beschäftigte und dem Fond nicht beigetreten ist. Auf der Liste der Regenbogen-Gruppe steht weiterhin der Füllerhersteller „Montblanc-Simplo“, die „Ludwig Kieser Wäscherei“ sowie die „Hamburger Metallocherei und Filterrohrfabrik Lehmann“. Die „Werhahn Krages Holzindus-trie“ erklärte gestern nach der Veröffentlichung ihrer Firmengeschichte, 100prozentige Tochter des Neusser Unternehmens Wilh. Werhahn zu sein, das längst Mitglied der Stiftung ist.
Die Regenbogen-Gruppe kündigte an, weitere Namen zu recherchieren und zu veröffentlichen. Die Zahl der Unternehmen, die im Nationalsozialismus ZwangsarbeiterInnen beschäftigten, wird in Hamburg auf rund 700 geschätzt. Dem Fond beigetreten sind bisher 225 Betriebe aus der Hansestadt. Von den fünf Milliarden Mark, die die deutsche Wirtschaft insgesamt aufbringen muss, fehlen noch 1,8 Milliarden Mark.
Andreas Fuhrhop von der Hamburger Handelskammer erinnerte daran, dass der Interessenverband der Wirtschaft nicht nur die schon im NS existierenden Firmen zur Zahlung aufgefordert hat, sondern an 5000 Betriebe herangetreten ist. Das würde zwar weniger Druck auf die damaligen Profiteure ausüben, den Kreis der in die Verantwortung gezogenen Firmen aber erweitern. Er appellierte erneut an alle Betriebe, Entschädigung zu zahlen. Cornelia Kerth, Bundessprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) betonte, dass von den Firmen ohnehin nur ein Promill ihres Jahresumsatzes verlangt werde. Die heutigen Handelspartner der damaligen Ausbeuter forderte sie auf, die Geschäftsbeziehungen einzufrieren.
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