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Wer nicht zahlen will, muss frieren

Für die Heizungshersteller haben hohe Preise ihr Gutes: Sie machen Umsatz. Wer eine neue, Energie sparende Anlage hat, ist nicht so stark betroffen

von KATHRIN BURGERund THORSTEN DENKLER

Wenigstens die Belgier sind aufgewacht. Tausende Arbeiter demonstrierten gestern für billigeres Heizöl. Richtig: Heizöl, nicht Benzin. Im Industriestandort Lüttich nahe der Grenze zu Deutschland versammelten sich nach Rundfunkberichten etwa 6.000 Menschen zum Protest. Die Arbeiter der Metallbranche in der Region legten für 24 Stunden die Arbeit nieder. Heizölpreise sind sozialer Sprengstoff.

Keine Frage, jeder will es im Winter warm haben. Das Auto stehen lassen und mit Bus oder Bahn fahren können viele, wenn sie dem Schock an der Tankstelle entgehen wollen. Wer aber die Heizung im Winter ausstellt, der friert. Da gibt es kurzfristig keine Alternative.

Preisdruck belebt die Nachfrage

Die Heizölpreise sind in den letzten Jahren noch stärker gestiegen als die Benzinpreise. Der Preis für den Autotreibstoff hat sich seit 1988 etwa verdoppelt: Im Jahre 1988 betrug er etwa 92 Pfennig, heute sind es über zwei Mark. Im gleichen Zeitrum ist der Preis für Heizöl um das Vierfache gestiegen. Heizöl hat damals 32,4 Pfennig gekostet, heute dagegen bis zu 1,27 Mark.

Die Heizungsbauer freuen sich über hohe Ölpreise, denn der Preisdruck belebt die Nachfrage nach effizienten Heizanlagen mit besseren Brennwerten und geringerem Verbrauch. Die Vereinigung der deutschen Zentralheizungswirtschaft (VdZ) und der Zentralverband Sanitär, Heizung, Klima hoffen, dass die hohen Heizölpreise die Verbraucher sensibler machen, damit sie verstärkt in neue Heizsysteme investieren. „Wer eine moderne Anlage im Keller hat, der ist von den immensen Preissteigerungen am Ölmarkt nicht so stark betroffen“, sagt Jürgen Diehl, Präsident des VdZ. Mit anderen Worten: Die von den Erdöl exportierenden Ländern (OPEC) in die Höhe getriebenen Preise könnten genau jene Lenkungswirkung erzielen, zu der die derzeit 4 Pfennig Ökosteuer pro Liter Heizöl nach Expertenmeinung kaum in der Lage sind.

Die Strategie der Heizungsbauer, den Heizölverbrauch durch Energie sparende Heizanlagen zu drosseln, wird dadurch unterstützt. Einer vom VdZ in Auftrag gegebene Studie zufolge könnten so die CO2-Emissionen um 23 Millionen Tonnen gesenkt werden. Zusätzlich würden rund 90.000 Arbeitsplätze geschaffen.

Ein hoher Heizölpreis allein aber reiche nicht, sagt Diehl. Es fehlten steuerliche Anreize für Privathaushalte, die in Energie sparende Heiztechnik investieren wollen. Die Hersteller von Heizanlagen planen einen „Energiepass“ für ihre Geräte. Darin kann der Kunde die Verbrauchsdaten nachlesen und besser vergleichen.

Die Bundesregierung will im Rahmen ihres Klimaschutzprogrammes mehr Gelder für Altbausanierungen bereitstellen. Eine neue Energiesparverordnung soll darüber hinaus die Richtlinien für Neubauten verschärfen. Dann müssen Heizanlagen und Hausisolierung so angelegt sein, dass bis zu 30 Prozent weniger Energie verbraucht werde als bisher.

Noch aber haben die Verbraucher das Geldsparpotenzial bei den Heizkosten nicht entdeckt. „Was das Auto verbraucht, weiß jeder. Die Energiedaten der eigenen Heizanlage sind dagegen weitgehend unbekannt“, beklagt Diehl.

Gesamtwirtschaftlich sind die Auswirkungen der gestiegenen Heizölpreise nicht von Bedeutung. Gustav Horn vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin sagt: „Außer einem leicht schwächeren Konsum erwarten wir keine direkten Auswirkungen.“

Dabei waren die Preise noch nie so hoch wie heute. Bis zu 1,27 Mark kostet ein Liter leichtes Heizöl nach taz-Recherchen im Stuttgarter Raum. In den letzten zehn Jahren ist der Preis nicht über 52 Pfennige hinaus gekommen. Dass der Preis in den nächsten Wochen sinken wird, ist nicht zu erwarten. Auch wenn der Preis für einen Barrel OPEC-Öl in der letzten Woche von 32,88 auf 31,48 Doller gefallen ist.

Auch der Gaspreis ist betroffen

Der Winter steht vor der Tür. Und in diesem Herbst wird die Nachfrage noch stärker sein als sonst. Viele haben in Erwartung sinkender Preise ihre Öltanks nicht, wie sonst üblich, im Sommer auffüllen lassen. Deshalb wird die Nachfrage und damit auch der Preis weiter steigen und gleichzeitig die Inflation. Horn rechnet mit einer Inflationsrate von 1,7 bis 1,8 Prozent für das laufende Jahr. Wären die Ölpreise stabil geblieben, läge sie nur bei etwa einem Prozent.

Horn befürchtet, dass sich die Inflation negativ auf die Konjunktur auswirken könnte, wenn etwa die Gewerkschaften deswegen mehr Lohn für die Arbeitnehmer forderten. Wahrscheinlicher aber sei, dass die Europäische Zentralbank (EZB) mit Zinserhöhungen auf die höhere Inflationsrate reagiere, wie sie es vor wenigen Wochen schon einmal getan hat. Jörg Hinze vom Institut für Wirtschaftforschung in Hamburg (HWWA) rät, nicht von staatlicher Seite in die Preisentwicklung einzugreifen: „Die Weltmarktpreise schwanken stark. So schnell können sie gar nicht reagieren.“

Dennoch will die Bundesregierung zumindest beim Wohngeld noch drauflegen. Wie Ende letzten Jahres beschlossen, steigt der Höchstbetrag, bis zu dem Mieten für die Berechnung des Wohngeldes anerkannt werden, zum Jahresbeginn 2001 ohnehin um rund 20 Prozent. Zusätzlich ist nun ein Aufschlag zum Ausgleich für die hohen Heizkosten im Gespräch. Gleichermaßen betroffen sind Bewohner gasbeheizter Wohnungen, da der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt ist.

Davon profitieren Bezieher niedriger Einkommen. Sie bekommen Wohngeld als Zuschuss zur Miete. Kosten für Heizung und Warmwasser werden beim Wohngeld bislang nicht extra berücksichtigt. Empfänger von Sozialhilfe können allerdings die vom Wohngeld nicht erfassten Mietbestandteile in der Regel beim Sozialamt geltend machen. Wie ein ölpreisbedingter Wohngeldzuschuss gestaltet werden könnte, ist noch offen.

Vom Vorschlag, kurzfristig in Wohngeldzulagen zu investieren, hält die Heizindustrie wenig. „Dies sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Jürgen Diehl vom Verband der Heizungsbauer. Die Gelder wären besser in langfristigen Projekten angelegt, beispielsweise in steuerlichen Vergünstigungen für Eigenheimbesitzer, die ihren Heizungskeller sanieren wollen. Oder in Zuschüssen für Solaranlagen.

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