: Kleriker droht Todesstrafe
Hassan Eschkevari, Theologe und Teilnehmer der Iran-Konferenz in Berlin, steht in Teheran vor Gericht. Beobachter sehen darin eine neue Etappe im Machtkampf von Konservativen und Reformern
von THOMAS DREGER
Einem prominenten iranischen Oppositionellen droht die Todesstrafe. Nach Informationen der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch muss sich der schiitische Kleriker Hassan Jussevi Eschkevari (50) derzeit in Teheran vor einem für Theologen zuständigen Sondergericht verantworten. Die Vorwürfe lauten: „Abkehr von Gott“ und „Infragestellung der fundamentalen Regeln des Islam“. In der Islamischen Republik steht darauf die Todesstrafe.
Hintergrund der Anklage ist Eschkevaris Teilnahme an einer Iran-Konferenz der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin im April diesen Jahres. Die Veranstaltung wurde von exil-iranischen Oppositionellen und wahrscheinlich auch Mitgliedern des iranischen Geheimdienstes gestört. In staatlichen iranischen Medien wurden die Teilnehmer danach als „zionistische“ und „US-imperialistischte Agenten“ denunziert. Sämtliche iranischen Gäste wurden nach ihrer Rückkehr verhaftet oder vor Revolutionsgerichte zitiert. Gegen alle laufen Ermittlungsverfahren, zwei sitzen noch im berüchtigten Evin-Gefängnis in Teheran: der Kleriker Eschkevari und der Journalist Akbar Gandschi. Letzterer machte sich vor allem wegen seiner Enthüllungen über Hintergründe der von iranischen Geheimdienstlern begangenen Mordserie an Intellektuellen 1998 unbeliebt.
Weiter inhaftiert ist auch der Übersetzer Chalil Rostamchani (47). Er war nicht direkt an der Berliner Konferenz beteiligt, half aber bei deren Vorbereitung in Teheran und organisierte Kontakte zu den TeilnehmerInnen. Zudem arbeitete er seit Jahren als Übersetzer für taz, Die Woche, Berliner Zeitung und Spiegel. Seine derzeit in München lebende Frau Roschanak Dariusch übersetzte bei der Konferenz. Auch gegen sie liegt in Teheran ein Haftbefehl vor. Angesichts der jüngsten Informationen aus Iran hofft sie auf internationale Interventionen, vor allem Berlins.
Laut Angaben von Verwandten gilt für alle drei Inhaftierten seit vergangener Woche Besuchsverbot. Die Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Schirin Ebadi (53), die nicht bei der Konferenz war, aber einige Teilnehmer danach vor Gericht vertrat, darf fünf Jahre ihren Beruf nicht ausüben.
Der Theologe Eschkevari hatte sich in Berlin indirekt für ein Aufhebung des Schleierzwangs für Frauen ausgesprochen und eine liberale Auslegung des Islam gefordert. Jeder dürfe glauben, was er wolle, lautete seine in Iran als Apostasie geltende Kernthese. Nach der Konferenz hielt er sich in Paris auf, flog aber am 5. August nach Teheran. Dort wurde er bereits am Flughafen verhaftet. Bei dem seit Samstag vor einer Woche gegen ihn stattfindenden Verfahren ist nur ein Pflichtverteidiger zugelassen.
Iranische Oppositionelle halten die Inhaftierung des Asthma- und Zuckerkranken Dissidenten für ein weiteres Kapitel im Machtkampf zwischen Irans konservativen Klerikern und Reformern.
Auch Irans reformorientierter Präsident Chatami formulierte seine „Abscheu“ über den Prozess. Nach Einschätzung von amnesty international ist der religiöse Querdenker ein „politischer Gefangener“.
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