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Ausländer im Zaun halten

In Harburg wehren sich Anwohner dagegen, dass MigrantInnen Wohnungen beziehen dürfen. Bezirk will Umfriedung errichten  ■ Von Elke Spanner

Der Blick aus dem obersten Stock ist unverstellt, und er reicht „bis nach Niedersachsen“. Der Bau der qualitativ hochwertigen Sozialwohnungen sollte „den Standort Sinstorf“ aufwerten, sagt Harburgs CDU-Fraktionsvorsitzender Thomas Schneider, und nun sei eben der gefährdet. Denn die neuen rund 300 NachbarInnen, die in die Neubauten an der Winsener Straße ziehen werden, sollen Zuwanderer sein.

So ist der nachbarschaftliche Friede schon gestört, ehe auch nur eine Umzugskiste in die Wohnungen getragen wurde: Empörte deutsche AnwohnerInnen haben eine Bürgerinitiative dagegen gegründet, und um diese zu beschwichtigen, will das Bezirksamt Harburg einen Zaun oder Erdwall um die Häuser herum errichten.

„Wir müssen es den Anwohnern leichter machen“, sagt Bezirksamtsleiter Bernhard Hellriegel arglos. „Und wenn die mit den Zuwanderern nur Frieden schließen, wenn deren Häuser eingezäunt sind, dann machen wir das.“ Schließlich seien die angrenzenden Reihenhäuser „sehr dicht dran“, und der Bezirk müsse zusehen, „wie man eine vernünftige Trennung macht“. Einziehen sollen ohnehin nur ausländische Familien, die bereits ihre „Wohntauglichkeit“ unter Beweis gestellt haben.

„Wie passt gesellschaftliche Integration dazu, dass bei Flüchtlings-Wohnunterkünften Erdwälle aufgeschüttet werden?“, fragt hingegen die migrationspolitische Sprecherin der GAL-Bürgerschaftsfraktion, Christa Goetsch, in einer kleinen Anfrage den rot-grünen Senat.

Die räumliche Abschottung jedoch stellt die AnwohnerInnen keineswegs zufrieden. Sie sehen nicht ein, warum die Wohnungen an Zuwanderer und nicht an BürgerInnen mit deutschem Pass gehen sollen. Das ist „mehr als ungerecht“, findet der Sprecher der Initiative „neue Nachbarn“, Daniel Pschack: „Es gibt mehr als genug Einheimische, die sich dafür interessieren.“ Stattdessen würden „nur Illegale“ einziehen, will er erfahren haben, „das schürt Vorbehalte“. Auch der CDU-Fraktionsvorsitzende Thomas Schneider wittert „Wasser auf die Mühlen rechter Rattenfänger“.

Die Entscheidung wird die Sozialbehörde treffen. Die Bezirksversammlung Harburg hat mit den Stimmen von SPD und GAL dafür gestimmt, die Wohnungen an MigrantInnen zu vermieten. Der künftige Träger, der Landesbetrieb „pflegen & wohnen“, soll sich an einen „Runden Tisch“ mit den AnwohnerInnen setzen. Die werden sich heute treffen, um weitere Schritte zu planen. Nicht zuletzt seien sie auch nicht bereit, räumt Pschack ein, „so eine hohe Miete zu zahlen, wenn direkt vor der Tür ein Ghetto steht“.

Weder er noch die ebenfalls oppositionelle CDU können allerdings Alternativen benennen. Bisher müssen Flüchtlinge zum Teil jahrelang in Containerdörfern leben. Darauf zu verweisen, ist gerade in Harburg nicht möglich: Am Rönneburger Kirchweg kämpfen AnwohnerInnen verbissen für den Abbau eines Containerdorfes.

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