: Gestritten, wer getroffen hat
Vier Monate nach dem Anschlag auf das Ludwigshafener Asylbewerberheim müssen die Täter nun ins Gefängnis. Mit ihrem Urteil folgten die Richter der Staatsanwaltschaft. Zwei der Verurteilten sind bereits früher durch rechte Gewalt aufgefallen
aus Ludwigshafen HEIDE PLATEN
Nur viereinhalb Monate nach der Tat fällte die Jugendkammer des Landgerichts Frankenthal gestern ein schnelles und strenges Urteil: Wegen des Brandanschlags auf ein Ludwigshafener Asylbewerberheim im vergangenen Juli verurteilten die Richter die vier Angeklagten zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb und fünf Jahren.
Die 15 bis 18 Jahre alten Jugendlichen mussten sich wegen versuchten Mordes in sechs Fällen, versuchter besonders schwerer Brandstiftung und wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. Das Gericht sprach sie gestern in fast allen Anklagepunkten schuldig und gab damit weit gehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft statt, die in ihrem Plädoyer Haftstrafen zwischen drei und sechs Jahren gefordert hatte. Die Verteidigung hatte dagegen Strafen zwischen vier Jahren Jugendhaft, Bewährung und gemeinnützigen Arbeitsstunden beantragt.
Die Jugendlichen hatten sich in der Nacht des 16. Juli an das von 30 Kosovo-Albanern bewohnte Asylbewerberheim angeschlichen und mit Molotowcocktails auf ein Fenster im Erdgeschoss gezielt. Eine der mit Benzin und Öl gefüllten und mit einem Docht versehenen Bierflaschen traf die elfjährige Krenare C. Nur die „weiche Landung“ im Schoß des Kindes verhinderte laut Polizeiangaben die Explosion des Brandsatzes. Kremare C. kam mit Brandwunden ins Krankenhaus, ihre beiden Geschwister wurden durch Glassplitter verwundet. Das Feuer konnte von der Feuerwehr und den Anwohnern gelöscht werden.
Die Jugendlichen hatten den Brandsatz an der Rückseite des Gebäudes geschleudert. Mehrere Flaschen verfehlten ihr Ziel und wurden später im Gebüsch gefunden. Auf dem unübersichtlichen Gelände um einen stillgelegten Güterbahnhof konnten die Täter zunächst unerkannt entkommen. Auf dem Rückweg stritten sie nach eigenen Angaben darüber, wer getroffen habe. Eine eilig eingerichtete Sonderkommission „Gleis“ der Ludwigshafener Polizei leitete sofort eine Großfahndung ein. Sie konnte schon wenige Tage später einen Erfolg verzeichnen. Zwei der festgenommenen Jugendlichen, Andreas W. und Steffen Sch., waren bereits einschlägig bekannt und schon vorher durch rechtsextreme Gewalttaten aufgefallen. Sie werden der Hooligan- und Skinhead-Szene rund um den Mannheimer Fußballverein SV Waldhof zugerechnet, der für seine militanten Fans berüchtigt ist. Beide gehörten zum Umfeld des Neonazis Christian Hehl.
Rechtsradikale Gruppen in Rheinland-Pfalz sind in den letzten Jahren für Randale und Schlägereien bei Wein- und Volksfesten bekannt geworden. Als Tatmotiv gaben die Jugendlichen vor dem Haftrichter „Fremdenhass“ an. Zur Tatzeit hatten sie laut Polizei nicht unter Alkoholeinfluss gestanden. Wegen des Alters der Täter fand der Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der 18-jährige Hauptangeklagte, so das Gericht, sei der Anführer der Gruppe gewesen. Er erhielt eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren, die beiden 16-jährigen Mittäter je dreieinhalb, ein zur Tatzeit erst 14-Jähriger zweieinhalb Jahre Haft. Das Cottbusser Landgericht hatte am Dienstag, 21 Monate nach der tödlichen Hetzjagd auf den Algerier Farid Guendoul, nur drei der elf Angeklagten zu Haftstrafen verurteilt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen