: Neue Verdächtige
Während EU und Bundesregierung über den Umgang mit der Rinderseuche streiten, ist in Niedersachsen ein neuer Verdachtsfall aufgetaucht
von MAIKE RADEMAKER
Die EU-Kommission ist verärgert über das deutsche Chaos bei der BSE-Diskussion. Sie warf der deutschen Regierung „Konfusion“ und Kompetenzwirrwarr vor. „Die üblichen Schuldzuweisungen“, sagte EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischlern ein inem Interview mit der Welt, „machen es nicht leichter.“
Ausgelöst hat diese Verärgerung die Frage, seit wann der Bericht der EU-Lebensmittel- und Veterinärbehörde dem Bundeslandwirtschaftministerium (BML) bekannt ist. Die EU-Beamten hatten nach einem fünftägigen Besuch in Bayern und Nordrhein-Westfalen festgestellt, dass entgegen dem seit 1994 bestehenden EU-Verbot Tier- und Knochenmehl verfüttert, Kontrollen nicht durchgeführt wurden und Labors fehlen.
Besonders Bayern kommt in dem Bericht schlecht weg. EU-Gesundheitskommissar David Byrne behauptet, schon Ende September Veterinäre des BML gewarnt zu haben. BML-Staatsekretär Martin Wille dementiert.
Währenddessen ist in Niedersachsen das nächste Rind BSE-verdächtig. Vier Schnelltests hatten bei demTier ein positives Ergebnis ergeben. Nun soll ein letzter Test der Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten in Tübungen für Sicherheit sorgen. Das Ergebnis wird Ende der Woche erwartet.
Sollte die Kuh aus Osnabrück tatsächlich an BSE erkrankt sein, wäre damit das sechste Tier gefunden. Bei drei anderen Rindern aus Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern bestätigte sich der Verdacht nicht.
Bisher gibt es fünf deutsche BSE-Fälle, vier aus Bayern, eins aus Schleswig-Holstein.
Vielen Verbrauchern ist es mittlerweile egal, ob und wo die BSE-Tiere schon gefunden sind. Sie wollen auf Nummer sicher gehen und stellen ihre Ernährungsgewohnheiten um. Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Lifestylemagazins Max wollen 40 Prozent der Deutschen sich anders ernähren. Von ihnen möchte etwa die Hälfte kein Rindfleisch mehr essen, die anderen weniger und nur aus ökologischer Viehhaltung.
Belgier und Niederländer werden wohl auf deutsches Rindfleisch verzichten müssen. Dort wurden bereits über die Weihnachtstage entsprechende Produkte aus den Regalen geräumt. Japan hat ein ab 1. Januar geltendes Einfuhrverbot für europäisches Rindfleisch und andere Produkte wie etwa Rindersamen verhängt.
Viel helfen wird ihnen das nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet, dass längst infiziertes Tiermehl oder Fleisch weltweit verkauft wurde und es damit möglicherweise ein globales BSE-Problem gibt. Die Organisation führt deswegen Workshops zu Diagnose und Überwachung von BSE in China, Südamerika, Südostasien und Westafrika durch.
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