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Heimat ohne Möbel

■ Karin Powser hat selbst mal auf den Straßen Hannovers gelebt. Heute arbeitet sie dort. Das Kapitel 8 zeigt ihre Fotos

Was in Bremen die Rathausarkaden sind, das ist in Hannover die Passarelle: Hier treffen sich Penner, Alkis, Obdachlose. Einige betteln, andere schweigen nur so, und manche brüllen ihre Lebensweisheiten in die Welt hinaus. „Das ist hier kein Schlaraffenland. Früher dachten wir das, aber heute ist das nicht mehr so“, gab der Vollbart mit den gelben Zähnen gestern seine ernüchternde Erkenntnis zum Bes-ten.

Das mit dem Schlaraffenland wäre also erledigt. Das mit der Obdachlosigkeit noch nicht. Was heißt das eigentlich: obdachlos? Nach Auffassung der InitiatorInnen der Ausstellung „Lebensorte“ ist das fehlende eigene Dach über dem Kopf nicht gleichzeitig auch das Fehlen eines Zuhauses. Neun von zehn so genannten Obdachlosen fühlen sich demnach einem Stadtteil zugehörig und identifizieren sich damit. Genau das wollen die beiden FotografInnen Karin Powser und Thomas Kurek in ihrer Ausstellung dokumentieren.

Als FotografInnen sind beide AutodidaktInnen. Thomas Kurek (Jahrgang 1957) verdient sein Geld als Sozialarbeiter in einer Tagesstätte für Wohnungslose in Hannover. Die 1948 geborene Karin Powser war selbst über 13 Jahre lang wohnungslos und lebte auf der Straße. Seit 1994 fotografiert sie für die Hannoveraner Obdachlosenzeitschrift „Asphalt“. Ihre Schwarz-Weiß-Arbeiten wurden schon mehrfach in Powsers Heimatstadt und im ganzen Bundesgebiet ausgestellt, in Bremen sind sie jetzt erstmals zu sehen.

Karin Powsers Palette reicht vom dokumentarischen Blick bis zum Porträt. Sich aufdrängende Motive sind darunter. „Ein Obdachloser macht vor dem Bahnhof ein Nickerchen“ lautet eine der oft als Miniatur-Geschichte wirkenden Bildunterschriften unter einem Foto. Er liegt vor dem Denkmalspodest mit der Inschrift „Dem Landesvater sein treues Volk“. Ein anderer liegt unter einem Plakat für ein Möbelgeschäft.

Solche Kombinationen sind nahe liegend, eine Versuchung für viele FotografInnen. Aber vor allem bei den Porträts scheint Karin Powser ein gewisses Mehr an Vertrauen zu gewinnen. Ohne jeden Voyeurismus oder irgendeinen Hang zum Kitsch nähert sie sich ihren Motiven. So sind zum Teil schonungslos realistische und oft zugleich auch sehr einfühlsame Porträts entstanden. ck

Karin Powsers Bilder sind bis zum 31. Januar in einer einigermaßen akzeptablen Präsentation im Kapitel 8 an der Domsheide zu sehen. Thomas Kureks Arbeiten hängen ebenfalls bis Ende Januar im Treppenhaus der Zentralbibliothek am Schüsselkorb.

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