: Viel Schmu mit Muh
Etikettenschwindel mit Wurst: Jede vierte untersuchte Probe in Hamburg falsch gekennzeichnet. Staatsanwaltschaft ermittelt ■ Von Heike Dierbach
Ein schwarzer Balken prangt da, wo bisher auf der Zutatenliste „Rindfleisch“ zu lesen war. Darüber steht gedruckt: „Schweinefleisch“. Wer dieser Wurst-Verpackung glaubt, ist schlecht beraten. Im Zuge der BSE-Krise betreiben Wursthersteller und/oder Handel offenbar Etikettenschwindel in großem Stil. Das Hamburger Hygieneinstitut hat seit Weihnachten 116 angeblich rindfleischfreie Wurstwaren untersucht: In 29 Proben – gut einem Viertel – war Rind.
Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) sprach gestern von einem „beschämenden Ergebnis“: „Für wie dumm hält die Lebensmittelbranche die Verbraucher eigentlich?“ Besonders schlimm sei, dass in 16 Fällen der Verdacht einer bewussten Täuschung bestehe. In diesen Fällen war die ursprüngliche Zutat „Rind“ durchgestrichen oder ein zusätzlicher Aufkleber versprach: „Rezepturänderung: Nur Schweinefleisch“. 13 positive Proben wiesen auch in der ursprünglichen Zutatenliste das Rindfleisch nicht aus. Betroffen sind alle Wurstsorten.
Roth wies darauf hin, dass von der beanstandeten Wurst zwar keine akute Gesundheitsgefahr ausgehe. Eine solche Täuschung der Verbraucher schade aber „langfristig nicht nur dem einzelnen Betrieb, sondern der ganzen Branche.“ Die Namen von Herstellern oder Läden wollte die Senatorin gestern nicht nennen, da noch nicht klar sei, wer genau die irreführenden Aufkleber angebracht habe. Die betroffenen Geschäfte in ganz Hamburg seien aber informiert worden und hätten die Ware freiwillig aus dem Regal genommen.
Um die Fälle, in denen der Verdacht auf bewusste Täuschung besteht, kümmert sich nun die Staatsanwaltschaft. Sie wird dafür eine eigene Stelle einrichten. Drei Strafanzeigen gibt es bereits, den Tätern droht bis zu einem Jahr Gefängnis oder Geldstrafe. Unbewusste Täuschungen hingegen gelten als Ordnungswidrigkeit und werden daher nur mit Geldbußen bis zu 50.000 geahndet. Roth kündigte an, dass die Stichproben fortgesetzt würden.
Das Hygieneinstitut führt seit ges-tern auch BSE-Schnelltests durch. Die Kapazitäten reichen für bis zu 200 Tests pro Woche, was für ausreichend gehalten wird, weil es in Hamburg nur 8600 Rinder gibt. Allerdings leiste man auch „Amtshilfe“ für benachbarte Flächenländer.
Mit der geringen Zahl hanseatischer Rinder begründete Senatorin Roth übrigens auch, warum in Hamburg nicht – wie auf Bundesebene – angedacht ist, ein Verbraucherministerium einzurichten. Die Landwirtschaft, bisher in der Wirtschaftsbehörde angesiedelt, habe in der Hansestadt ohnehin keine große Bedeutung, so Roth, und um den Verbraucherschutz kümmere sich die Gesundheitsbehörde: „Da brauchen wir nichts zu ändern.“
In Schleswig-Holstein wurden gestern nach der Bestätigung des zweiten BSE-Falls 48 Rinder der betroffenen Herde in Klein Wesenberg (Kreis Stormarn) in die Tierkörperbeseitigungsanlage gebracht.
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