: Neuer Ochs in Stoibers Stall
Bayern bekommt einen neuen Minister für Ernährung und Verbraucher. Stamm und Miller bleiben im Kabinett. Bundesagrarministerin Künast will weiter ganze Herden keulen lassen
BERLIN taz ■ Nun musste auch Edmund Stoiber Konsequenzen aus der BSE-Krise ziehen: Bayern bekommt ein eigenes Ministerium für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz.
Dies teilte Ministerpräsident Stoiber (CSU) gestern in München mit. Zum selben Zeitpunkt verkündete die neue Agrarministerin Renate Künast (Bündnisgrüne) in Berlin, dass sie kaum Alternativen zu der von der EU beschlossenen Massentötung von 400.000 Rindern sehe. Auch am Prinzip der Herdenkeulung wolle sie festhalten. „Ich sehe mich im Augenblick nicht in der Lage, von dieser Bestandstötung abzugehen“, sagte sie. Beide Vorhaben werden von Bayern bislang heftig kritisiert.
Die geplante Vernichtung hunderttausender deutscher Rinder dient nach Angaben der Europäischen Kommission vor allem der Stützung der Rindfleischpreise. Obwohl Künast ihre Haltung zugunsten der Tötung unter Hinweis auf die EU rechtfertigte, ließ EU-Agrarkommissar Franz Fischler in Brüssel erklären: „Niemand zwingt Deutschland, die Rinder zu schlachten und zu vernichten. Es gibt keine Verpflichtung, am Vernichtungsprogramm teilzunehmen.“
In München zog Stoiber mit seiner Erklärung auch einen Strich unter alle Gerüchte, seine Sozial- und Gesundheitsministerin Barbara Stamm sowie sein Agrarminister Josef Miller seien nicht mehr zu halten und würden zurücktreten. Beide müssen nunmehr dem neuen Ministerium unter der Leitung des bisherigen Präsidenten der Technischen Universität München, Wolfgang Herrmann, Kompetenzen abgeben. Eine einzige Staatssekretärin, Marianne Deml (CSU), wird das Kabinett aus formalen Gründen verlassen. Stamm hat sich bislang unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass sie noch Ende November vergangenen Jahres behauptet hatte, Bayern sei BSE-frei. Am 2. November war in Bayern die erste Kuh unter BSE-Verdacht getötet worden. Auch Deutschlands neueste und 14. BSE-Kuh ist bayerischer Provenienz: Es handelt sich um eine erst 28 Monate alte Kuh aus dem bayerischen Zolling. Nordrhein-Westfalen forderte prompt, BSE-Schnelltests nicht wie bisher nur an über 30 Monate alten Rindern durchzuführen.
EU-Verbraucherkommissar David Byrne sah sich in diesem Zusammenhang genötigt, eine Sonntags-Pressemeldung zu dementieren: Er habe nie behauptet, dass in Deutschland ein ähnlich dramatischer Verlauf der BSE-Krise wie in Großbritannien zu befürchten sei, ließ er gestern in Brüssel verlautbaren. Er habe lediglich in einem Brief seiner Sorge Ausdruck verliehen, dass in Deutschland ein Rind von weniger als 30 Monaten erkrankt sei. Das habe es bislang nur in Großbritannien gegeben. Seine Sprecherin verwies darauf, dass es seit 1990 in Großbritannien 180.000 BSE-Fälle gegeben habe. In allen übrigen EU-Staaten seien es 1.300 gewesen.
Eine weitere Panikmeldung vom Wochenende bewog Agrarministerin Künast gestern zu einer vorsichtigen Formulierung: Eine mögliche Belastung von Milchprodukten durch BSE-Erreger „kann man nicht ausschließen“, sagte sie. Es gebe bislang zwar keinerlei Belege dafür, aber auch „viel zu wenig wissenschaftliche Erkenntnisse in dem ganzen Bereich“.
Hier soll nach dem Willen des Bundes nun verstärkt Abhilfe geschaffen werden: In den nächsten zwei Jahren steckt das Bundesforschungsministerium 15 Millionen Mark zusätzlich in die Entwicklung von Testverfahren. Auch die Zusammenhänge zwischen BSE und der bislang in Deutschland noch nicht aufgetretenen neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit sollen erforscht werden. In den vergangenen sechs Jahren sind bereits 15 Millionen Mark Bundesmittel in die BSE-Forschung geflossen. UWI
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