gen-datei gebilligt: Schluss mit schlampig
„Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen“, heißt es im Kino. Wer bei der Polizei einmal negativ aufgefallen ist, wird von ihr immer wieder behelligt. Genau nach diesem Prinzip arbeitet auch die 1997 eingerichtete Gen-Datei. Sie speichert den „genetischen Fingerabdruck“ von derzeit 70.000 erfassten Personen und soll sogar auf einige hunderttausend Datensätze anwachsen. Neue Tatortspuren können jetzt gleich mit den Gen-Daten der „üblichen Verdächtigen“ verglichen werden.
Kommentarvon CHRISTIAN RATH
Das Bundesverfassungsgericht hatte nun keine grundsätzlichen Bedenken gegen dieses System. Immerhin konnten in den letzten drei Jahren schon 600 Tatortspuren konkreten Personen zugeordnet werden. Die Zahl der so ermöglichten Verurteilungen ist zwar nicht bekannt, aber es werden nicht wenige gewesen sein. Schließlich gilt die DNA-Analyse als besonders sicheres Beweismittel – jedenfalls wenn im untersuchenden Labor nicht geschlampt wurde.
Wer also die Sammlung normaler Fingerabdrücke im BKA nicht ablehnt, kann daher auch eine Gen-Datei nicht rundweg verdammen. Entgegen anders lautender Befürchtungen enthält sie gerade keine „Persönlichkeitsprofile“ und schafft damit auch nicht den „gläsernen Menschen“. Gespeichert wird nur ein zehnstelliger Code, das so genannte DNA-Identifizierungsmuster, das aber nichts über die eigentlichen Erbinformationen aussagt. Andere Daten dürfen bei einem genetischen Fingerabdruck auch gar nicht erhoben werden. Dies hat Karlsruhe schon vor vier Jahren entschieden.
Die Probleme liegen eher in der Ausgestaltung: Erfasst werden nämlich nicht nur verurteilte Straftäter, sondern auch bloß „Verdächtige“. Dies war von Datenschützern immer wieder moniert worden, konnte jetzt vom Bundesverfassungsgericht aber nicht korrigiert werden. Denn alle drei Klagen, über die jetzt zu entscheiden war, stammten von bereits verurteilten Straftätern.
Außerdem wird die „negative Sozialprognose“, die einer Speicherung vorausgehen muss, bisher von den Fachgerichten oft nur sehr schlampig durchgeführt. Das hat Karlsruhe nun zu Recht gerügt. Dies wird den Sicherheitsbehörden mehr Arbeit machen und – hoffentlich – auch dazu führen, dass nicht jeder erwischte Kleinkriminelle in dieser Datei landet. Die Gen-Datei erfasst eben nicht nur die DNA-Profile von Sexualtätern, wie bei der Einführung vor drei Jahren suggeriert wurde.
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