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Mehrwert statt Grenzwert

Umweltpolitik jenseits von Verboten? Jedenfalls nicht mit zahnlosen Selbstverpflichtungen, meinen die Grünen

BERLIN taz ■ Das grüne Umweltministerium hatte gute Pressearbeit geleistet: Rechtzeitig zur gestrigen Tagung der grünen Bundestagsfraktion über „neue Instrumente für die Umwelt“ hatten Jürgen Trittins Beamte an den Spiegel ein Gutachten durchsickern lassen, das der Industrie Versagen beim Klimaschutz vorwirft. Denn entgegen der Selbstverpflichtung der deutschen Industrie ist nach der Berechnung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) im Jahr 2000 mehr und nicht weniger Kohlendioxid aus Deutschland in die Atmosphäre geblasen worden. Ursache für diese „Trendumkehr“, so das Umweltministerium, sei vor allem der Einsatz von Braunkohle in ostdeutschen Kraftwerken.

Wenn also die Industrie ihre Selbstverpflichtungen nicht einhalte, so Trittin, könne sie die aktuellen Verhandlungen um eine Quote für Strom aus hocheffizienter Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) nicht mit dem Hinweis auf eine Selbstverpflichtung torpedieren. „Es geht nicht, dass Selbstverpflichtungen nicht eingehalten werden, ohne dass es Sanktionen gibt“, so Trittin. Er schlug den Stromkonzernen vor, „selber Vorschläge für Sanktionen zu machen, die bei Nichteinhaltung einer Selbstverpflichtung greifen“. Grundsätzlich müsse das ökologische Ziel im Mittelpunkt stehen, betonte Trittin. Instrumente zur Einhaltung einer Selbstverpflichtung seien über die Ordnungspolitik (Gebote, Verbote), aber auch Steuern, Quoten, runde Tische möglich. Sanktionen müssten im Zweifel aber auch umgesetzt werden.

Gesetze zum Schutz der Umwelt müssen sein, waren sich die knapp 500 Teilnehmer der Konferenz einig, mit der die Grünen wie bereits im Vorjahr Strategien der Umweltpolitik breit diskutieren wollten. Aber für „Innovationen auf breiter Basis“ dürfe „Politik nur den Rahmen setzen“, sagte der grüne Umweltpolitiker Reinhard Loske. Den Gedanken führte Chefvolkswirt der Deutschen Bank Norbert Walter mit einem Plädoyer für marktorientierte Maßnahmen fort: „Dekrete sind das schwächste Instrument. Der Preis ist für die Wirtschaft dagegen der beste Wegweiser.“ Die Ökosteuer sei ein Fortschritt, doch am effektivsten aus Sicht der Wirtschaft sei der Handel mit Zertifikaten. Der Staat definiere Grenzen und Mengen, alles andere regele der Markt über den Preis. Unausgesprochen unterstütze Walter damit die Vorstellungen der Fraktionen von Grünen und SPD und vom Umweltminister im aktuellen Streit um eine KWK-Quote. Genau einen solchen Handel mit Zertifikaten sieht der rot-grüne Vorschlag nämlich vor. Global betrachtet sei vor allem eine einheitliche europäische Linie bei der Umweltpolitik nötig, so Walter. Denn „in den nächsten 15 Jahren wird es außer der EU keinen Verhandlungspartner geben, der stark genug ist, die USA etwa beim Thema Energiesparen in die Schranken zu weisen.“ Finde die EU keine schlagkräftigen Instrumente für die Umweltpolitik, gehe „das Gekaspere wie in Kioto oder in Den Haag weiter“.

BERNHARD PÖTTER

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