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Großer Bruder killt Bankgeheimnis

Die USA haben es geschafft, die Banken in aller Welt zu Hilfsbeamten zu machen, um daheim die Steuerhinterziehung zu verhindern. Die neuen Vorschriften zur Quellensteuer auf Zinsen und Dividenden betreffen auch Nicht-US-Bürger

Auch Finanzoasenwie die Schweiz und Luxemburg haben unterschrieben

von WERNER RÜGEMER

In diesen Tagen erhalten die etwa vier Millionen Bundesbürger und deutsche Unternehmen, die ein Konto oder ein Wertpapierdepot in der Schweiz unterhalten, ungewohnte Post. Crédit Suisse, UBS und die anderen Banken verlangen, dass die Kunden Formulare zu ihrer Identität und zu ihren US-Wertschriften ausfüllen. Dies sei wegen der seit 1. Januar 2001 geltenden neuen Vorschriften der US-Quellensteuer nötig. Die Banken versichern, dass „das Bankgeheimnis auch unter der neuen Regelung für alle unsere Kunden vollständig gewahrt bleibt“.

Die US-Regelung gilt nicht nur für die traditionelle Finanzoase Schweiz. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit haben die Banken aller wichtigen Bankländer während des vergangenen Jahres Verträge mit der US-amerikanischen Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS) abgeschlossen. Danach müssen die Banken die Namen und Steuernummern der Kunden, die US-Bürger sind, dem amerikanischen Fiskus melden. Dazu zählen auch Doppel- und Mehrfachbürger sowie Inhaber von Green Cards. Ebenso müssen alle steuerpflichtigen Einkünfte aufgelistet werden.

Gleichzeitig müssen die Banken dafür sorgen, dass auch ausländische Anleger die in den USA übliche 30-prozentige Quellensteuer entrichten, die auf Erträge von US-Wertpapieren wie Microsoft oder Ford anfallen. Wer zukünftig eine US-Aktie kauft, muss der Bank einen Pass oder Personalausweis vorlegen. Hier konnten die Banken in Einzelverträgen vereinfachte Dokumentationspflichten vereinbaren. So hat etwa die Landesbank für Hessen und Thüringen direkt vereinbart, die Quellensteuer automatisch einzubehalten und in die USA abzuführen. Dafür entfällt für alle Sparkassen in Hessen und Thüringen die Pflicht, die Ertragsempfänger einzeln zu dokumentieren und ihre Identität gegenüber der US-Finanzbehörde offen zu legen. Der nichtamerikanische Steuerpflichtige kann seinem Finanzamt die Bescheinigung über die US-Quellensteuer vorlegen und mit seiner Steuerschuld verrechnen lassen. Das ist in den Doppelbesteuerungsabkommen geregelt, die bilateral abgeschlossen werden.

Wenn Europäer oder andere Ausländer ihre Depots mit US-Wertpapieren in den USA halten, tritt ebenfalls die neue Regelung in Kraft. Die IRS meldet die über die US-Banken gesammelten Informationen an die Heimatfinanzämter. Das kann zukünftig zu bösen Überraschungen führen, wenn etwa das Finanzamt in Düsseldorf, Palermo oder Tokio feststellt, dass in der Steuererklärung etwas fehlt.

In aller Stille hat die US-Regierung damit weltweit eine Regelung durchgesetzt, über die die EU-Mitgliedsstaaten seit einem Jahrzehnt ergebnislos streiten. Die hier bisher vorgebrachten Argumente – etwa dass das Bankgeheimnis verletzt und zu viel Bürokratie eingeführt werde – gelten vor dem großen Bruder nicht. Die USA konnten die Vormachtstellung des US-Finanzmarkts ausspielen. Nur wenn ausländische Banken die Quellensteuerregelung unterschreiben, erhalten sie den Status als „qualifizierter Verwahrer“. Unterschreiben sie nicht, droht der Verlust der US-Banklizenz.

Die US-Regierung hat in den letzten Jahren in vieler Hinsicht zu rabiaten Maßnahmen gegriffen, um die Steuerflucht zu bekämpfen. Auch der vermögende Mittelstand wird nun scharf überwacht. Broker, die Wertpapiere unkontrolliert über das Internet verkaufen wollen, werden ebenso von der Criminal Investigation Division des IRS aufgespürt wie Treuhänder, die ihren Kunden anonyme Trusts auf den Kaimaninseln einrichten. Dutzende von Steuerhinterziehern wurden vor Gericht gebracht und erhielten hohe Geld- und Gefängnisstrafen. Ein Zahnarzt aus Michigan, der Wertpapiereinkünfte von 1,5 Millionen US-Dollar verschwieg, muss für 27 Monate hinter Gitter. Ein Buchhalter bekam sieben Jahre Haft, weil er für sein Unternehmen Briefkastenfirmen einrichtete.

Nicht nur die Schweiz, auch Finanzoasen wie Luxemburg haben die Regelung unterschrieben. Bisher war es den Kunden überlassen, ihre Steuern zu melden oder die Steuerermäßigung entsprechend dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen zu beantragen. Jetzt sind die Banken zu Hilfsbeamten der US-Regierung geworden. Beim Bankgeheimnis überwiegt im Konfliktfall das Interesse der Bank, nicht das der Kunden.

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