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Nur ein echter Nazi ist ein vollwertiger Kolonialist

Das Seminar für orientalische Sprachen diente sich den Nazis als Kolonial-Ausbildungsstätte an: „Uns kommt ein eigenes Arbeitsfeld in Afrika zu“

BERLIN taz ■ 1887 wurde das „Seminar für orientalische Sprachen“ gegründet um Kolonialbeamte, Offiziere der Schutztruppe und Handelsreisende auf ihren Einsatz in den Kolonien vorzubereiten. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Verlust der deutschen Kolonien in Afrika erlebte das Seminar eine Krise. Doch bereits in den Zwanzigerjahren kam es zu einem Neuaufschwung der kolonialen Debatte. Eine der drei Lehrerstellen wurde in eine Professur umgewidmet, die 1921 der ehemalige Ost-Afrika-Missionar Dietrich Westermann einnahm.

1936 stellte die NSDAP erstmalig offiziell die Forderung nach „kolonialer Gleichberechtigung“. Die deutsche Afrikanistik sollte dieses Ziel unterstützen. Viel Geld floss nun in die Kassen der afrikanistischen Institute. Die Mehrheit der deutschen Afrikanisten waren politisch konservativ eingestellt und sahen kein Problem, mit den Nazis zusammenzuarbeiten. „Wenn wir uns heute wieder lebhafter mit afrikanischen Dingen und Menschen beschäftigen“, sagte Westermann, „so tun wir das in der Überzeugung, dass uns in Afrika ein eigenes, selbstständiges Arbeitsfeld zukommt.“

Seit 1937 arbeitete das Seminar – es hieß mittlerweile Auslandshochschule –, mit der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amtes und des Ministeriums des Inneren zusammen. Für die Studenten wurde ein Fach namens Deutschtumskunde zur Pflicht. Im Vorlesungsverzeichnis von 1937 heißt es: „Eine Selbstverständlichkeit ist es, dass nur ein Deutscher, der die deutsche nationalsozialistische Bewegung [...] in ihrem organisatorischen Aufbau [...] genau kennt und von der nationalsozialistischen Weltanschauung völlig durchdrungen ist, als ein vollwertiger Vertreter des Deutschtums im Ausland gelten kann.“ 1940 übernahm der SS-Mann Alfred Six die Leitung. Mit der Niederlage der deutschen Truppen 1942 in Stalingrad und 1943 in Nordafrika werden die kolonialwissenschaftlichen Forschungen eingestellt. URSULA TRÜPER

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