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Strahlende Projektile

aus Genf ANDREAS ZUMACH

Der Einsatz von mit abgereichertem Uran (DU) gehärteter Munition im Luftkrieg der Nato gegen Jugoslawien vom Frühjahr 1999 wird längerfristig möglicherweise zu einer Verstrahlung des Grundwassers und anderen schädlichen Auswirkungen für die Umwelt und die Gesundheit der Menschen in den Zielgebieten führen. Bislang konnten derartige Auswirkungen jedoch nicht festgestellt werden. Diese Bilanz einer mehrmonatigen Untersuchung veröffentlichte das Umweltprogramm der UNO (Unep) gestern in Genf. Die Unep mahnt zum wiederholten Male die vollständige Räumung aller DU-Munitionsreste und andere Vorsorgemaßnahmen an. Zudem empfiehlt die Unep ausdrücklich eine ähnliche Untersuchung in Bosnien, wo die Nato 1994 und 1995 rund 10.000 Munitionprojektile mit mehr als drei Tonnen DU gegen hauptsächlich drei Ziele verschoss. Auf einen entsprechender Vorschlag für den Irak, wo amerikanische Kampflugzeuge- und Panzer im Frühjahr 1991 mindestens 300.000 Projektile mit rund 300 Tonnen DU verschossen hatten, verzichtet die Unep allerdings.

Mangels finanzieller Ressourcen hatte ein 14-köpfiges Expertenteam der Unep unter Leitung des ehemaligen finnischen Umweltministers Pekka Haavisto lediglich elf der insgesamt 112 Einschlagorte von DU-Munition untersucht, von denen 103 im Kosovo liegen, die übrigen in Serbien und Montenegro. Ihre Erkenntnisse wertet die Unep als „repräsentativ“. An acht der elf untersuchten Orte fand das Unep-Expertenteam Reste von DU-Munitionsprojektilen sowie DU-Staub und registrierte in der unmittelbaren Nähe eine „geringe radioaktive Verstrahlung“.

Die Unep beurteilt die akuten Strahlen- und chemischen Risiken für die Bevölkerung als „unerheblich“. Der Einsatz von DU-Munition habe „keine weit reichende Verseuchung“ verursacht. „Diese Ergebnisse sollten allen, die im Kosovo leben oder arbeiten, die unmittelbare Angst nehmen, die sie vielleicht empfunden haben“, erklärte Unep-Direktor Klaus Töpfer bei der Vorstellung des Berichts. Ob allerdings Menschen, die sich während des Krieges im Frühjahr 1999 in der Nähe von Einschlagsorten befanden, geschädigt wurden, kann die Unepnicht sagen. Denn Gesundheitsuntersuchungen (außer an Soldaten der KFOR) haben bis heute im Kosovo nicht stattgefunden. Zu den langfristigen Gefahren erklärte Teamcheaf Haavisto, es bestünden „nach wie vor erhebliche wissenschaftliche Fragezeichen, besonders was die Sicherheit von Grundwasser angeht“. Es seien „weitere Arbeiten erforderlich, um die Qualität des Wassers laufend zu überprüfen“.

Die geringe Zahl von lediglich siebeneinhalb DU-Projektilen und -Ummantelungen, die die Experten gefunden hatten, ist für die Unep ein „Indiz, dass die meisten Projektile harte Ziele verfehlt haben und bis zu zwei Meter tief in den Boden eingedrungen sind“. Im Boden könnten die radioaktiven Teile den natürlichen Urananteil der Erde um das Zehn- bis 100-fache erhöhen. „Die Strahlungsdosen sind zwar gering, aber die Urankonzentration könnte die Standards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für sauberes Trinkwasser überschreiten“, heißt es in dem Unep-Bericht. Unep bestätigt, dass einige der untersuchten DU-Munitionsreste Plutonium enthalten. Doch die gefundene Menge sei „zu gering“, um radioaktive oder toxische Schäden zu verursachen.

Um künftigen Schädigungen vorzubeugen, empfiehlt die Unep neben der ständigen Kontrolle des Trinkwassers eine „Eingiftung“ verseuchter Böden in der Umgebung von Einschlagorten, die umfassende Information der Bevölkerung sowie die Räumung sämtlicher DU-Muntionsreste und aller Landminen. Diese Minen behindern an vielen Stellen nach wie vor den Zugang zu DU-Munitionsresten.

Ähnliche Empfehlungen hatte die Unep bereits schon im Herbst vergangenen Jahres und erneut Anfang Januar an die KFOR und die UNO-Verwaltung im Kosovo (Unmik) gerichtet. Bislang ohne Erfolg. Noch immer ist der größte Teil der 112 Einschlagorte von DU-Munition nicht einmal markiert, geschweige denn abgesperrt. Die KFOR mache aber „Fortschritte“, erklärte Töpfer.

Für die vorgeschlagenen Vorsorge-maßnahmen sowie für die Ausweitung der Untersuchung auf Bosnien-Herzegowina fehlt bislang das Geld. Die Kosten für die bisherige Untersuchung betrugen 500.000 US-Dollar. Sie wurden zu 95 Prozent von der Schweiz aufgebracht. Die Nato-Staaten haben sich bislang nicht an der Finanzierung beteiligt und auch für die Zukunft keine Geldmittel in Aussicht gestellt.

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