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Wem nützt das Petrobras-Desaster?

Nach dem Untergang der größten Bohrinsel der Welt vor der brasilianischen Küste gibt es noch Hoffnung, dass eine Umweltkatastrophe abgewendet werden kann. Jetzt konzentriert sich das Interesse auf die Suche nach den Schuldigen

von GERHARD DILGER

Nach dem Untergang der weltgrößten Bohrinsel 120 Kilometer vor der brasilianischen Küste ist die Gefahr einer ökologischen Katastrophe noch nicht gebannt. Das Ausmaß der Schäden hängt nach Ansicht der Umweltschutzorganisation Greenpeace nun entscheidend vom Wetter ab. Man müsse davon ausgehen, dass die Öltanks implodieren werden, sagte Greenpeace-Sprecher Jörg Feddern gestern in Hamburg. Er verwies auf Erfahrungen aus der Nordsee: Ab einer bestimmten Wellenhöhe funktionierten Ölbarrieren nicht mehr. „Sollte austretendes Öl auf den Atlantik hinaustreiben, werden die Folgen nicht allzu dramatisch sein.“ Falls das Öl aber in Richtung Festland driften sollte, werde die Lage kritisch.

Die Verantworlichen der staatlichen Ölfirma Petrobras und die Umweltbehörden bemühten sich dagegen nach Kräften, die Befürchtungen zu zerstreuen. Zwar sei wohl sicher, dass die Dieselcontainer an Deck der Ölplattform durch den enormen Druck in 1.360 Meter Tiefe bersten würden. Doch die insgesamt 1,5 Millionen Liter Öl bestünden zu 80 Prozent aus leichterem Dieselöl, das innerhalb einiger Tage verdunsten könnte. Die 300.000 Liter Rohöl aus den Unterwasserleitungen würden dagegen teils auf den Meeresgrund sinken, teils an die Oberfläche kommen.

Im schlimmsten Fall könne das Öl frühestens in neun Tagen die Küste erreichen, sagte der brasilianische Umweltminister André Corréia. Auch der Generalsekretär des World Wildlife Fund for Nature (WWF) in Brasilien, Garo Batmanian, rechnet nicht mit schnellen Schäden für die Küste. Zudem sei das Gebiet um die Umglücksstelle nicht besonders artenreich.

Trotzdem werde der Öl-Unfall die Natur auf jeden Fall langfristig schädigen, glaubt der deutsche WWF-Meeresexperte Christian von Dorrien. Ob auslaufendes Öl einen Teppich bilden oder auf den Meeresboden absinken wird – in beiden Fällen seien Umweltschäden unvermeidlich.

Niederländische Experten boten ihre Hilfe bei der Bergung und Sicherung der Ölplattform an. Die Taucher und Bergungsexperten der Unternehmens Smit Tak warteten an der Küste auf eine Entscheidung der brasilianischen Ölgesellschaft Petrobas. „Offenbar herrscht bei der Ölgesellschaft Panik“, sagte ein Sprecher von Smit Tak. Die Erdölgesellschaft Petrobras habe 26 Spezialschiffe entsandt und 33 Kilometer Barrieren vorbereitet, um eine Umweltkatastrophe vor der Küste zu verhindern.

In Brasilien konzentrierte sich das Interesse vor allem auf die Suche nach den Schuldigen für das Unglück, bei dem am Donnerstag elf Menschen bei Explosionen getötet worden waren. Erster Verdächtiger ist die Petrobas selbst, der Ingenieure schon am Montag vorgeworfen hatten, sie habe einen Erdgasbrenner fahrlässig und ohne Genehmigung umgebaut und zu nahe an der Oberfläche der Plattform installiert. Auch die Serie vorangegangener Unglücke bei der Ölgesellschaft soll beleuchtet werden.

Größte Vorsicht sei gegenüber der Informationspolitik von Petrobras am Platz, sagte Greenpeace-Sprecherin Cristina Bonfiglioli der taz. Es gebe keine unabhängigen Informationen von der Unglücksstelle. „Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass Petrobras über keine ernsthaften Pläne für solche Notfälle hat“, kritisierte sie. „Während die Firma im Explorationsbereich Technik auf Weltniveau einsetzt, ist der Umgang mit Fragen der Sicherheit noch Entwicklungsgebiet.“

Was bei dem drohenden Imageverlust auf dem Spiel steht, zeigt ein Blick auf die Entwicklung der Gesellschaft:

1953 hieß es in Brasilien: „Das Öl gehört uns.“ Präsident Getúlio Vargas schuf das Erdölmonopol Petrobras gegen die Interessen der US-Firmen, die das schwarze Gold in ganz Lateinamerika ausbeuteten. Die national ausgerichtete Industriepolitik des Autokraten Vargas gehörte zu seinen populärsten Projekten.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Seit 1995 setzt Präsident Cardoso ein riesiges Privatisierungsprogramm durch, wenn auch weniger rabiat als mancher seiner Amtskollegen in den Nachbarländern.

1999 übernahm der smarte Manager Reichstul das Kommando vom skandalumwitterten Ingenieur Joel Rennó. Der konnte zuletzt bei einem Jahresumsatz von 26 Milliarden Dollar nur einen symbolischen Gewinn von 11 Millionen Dollar einfahren.

Der Modernisierer Reichstul brachte immerhin frischen Wind in den schwerfälligen Staatsbetrieb, von dem die Regierung knapp die Hälfte der Anteile verkaufte. Vor zwei Jahren wurden erstmals die Förderrechte in 27 Gebieten frei versteigert und damit das Petrobras-Monopol aufgehoben. Als „Ende der Geldverschwendung“ bejubelte das regierungsnahe Nachrichtenmagazin Veja diesen Schritt damals.

In der Tat konnte Reichstul vor wenigen Wochen einen neuen Rekordgewinn verkünden: Bei einem Umsatz von 27,2 Milliarden Dollar erwirtschaftete er im Katastrophenjahr 2000 5,1 Milliarden Dollar. Das Unternehmen besitzt inzwischen 94 Ölplattformen, von denen 25 auf offenem Meer arbeiten. Es fördert täglich 1,3 Milliarden Barrel Öl.

Auch wenn es die Regierung bestreitet: Viele Kritiker ihres neoliberalen Kurses vermuten, dass sie nur darauf wartet, die Erdölgesellschaft, zu der auch mehr als 7.000 Tankstellen gehören, bei der nächstbesten Gelegenheit völlig zu privatisieren. Und in dieser Debatte kann die jüngste Serie von Pannen und Katastrophen nur Wasser auf die Mühlen der Privatisierungsfans sein.

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