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Die Basis folgte nicht

Grüner Streit nach Debakel in Baden-Württemberg. Rep-Wähler für Union

STUTTGART taz ■ Dem Katzenjammer der Grünen nach den Landtagswahlen in Baden-Württemberg folgten gestern die ersten Erklärungsversuche und Schuldzuweisungen. Der Verlust von 4,4 Prozent, einem Drittel der Wählerstimmen, ist eine allzu bittere Pille für die Öko-Partei. Die einen schoben den Misserfolg auf die Debatten um Außenminister Joschka Fischers Vergangenheit und die Verbalinjurien von Umweltminister Jürgen Trittin. Der Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hatte noch am Wahlabend aus Schwaben in Richtung Preußen räsoniert, Trittin habe sich „im Stil“ vergriffen und sei „auf einer Ebene, die nicht die unsere ist“. An der Basis aber hatte es seit Wochen gegärt, nicht nur wegen der Bundespolitik, sondern auch wegen des seltsam farblosen und passiven Wahlkampfes.

Viele der Grünen der ersten Stunden verweigerten ihre Gefolgschaft auch wegen der Castor-Transporte, der Atompolitik und des deutschen Einsatzes im Kosovokrieg. Bei den unter 30-Jährigen erreichten die Grünen mit 10 Prozent nur noch die Hälfte ihres Jungwähleranteils von 1996. Am treuesten blieben der Partei im Stammland der Ökologiebewegung die Stuttgarter. Auch sonst waren es die Stadtbewohner und nicht die Landbevölkerung, die grün wählten. Aber auch in den grünen Hochburgen der Universitätsstädte Freiburg, Heidelberg und Tübingen gab es herbe Einbußen. Dort profitierte stattdessen die SPD, Verlierer war die CDU.

Der eigentliche Wahlverlierer aber in Baden-Württemberg sind die „Republikaner“, denen die 4,4 Prozent zum großen Jubel der anderen vier Parteien nicht ausreichten, ein drittes Mal in den Stuttgarter Landtag einzuziehen. Nur in 17 der 70 Wahlkreise kamen sie noch über die Fünfprozenthürde. Das löste bei der CDU helle Freude aus. Deren Mitglieder sehen den Absturz der Partei rechts von ihnen als ihren eigenen Verdienst an. Gerade die nationalistischen CDU-Themen der letzten Monate seien es gewesen, die Wähler zurück zu den Volksparteien geholt haben.

Dass jedoch der immer wieder als altbacken und nicht medientauglich kritisierte Ministerpräsident Erwin Teufel mit 44,8 Prozent einen grandiosen Sieg feiern konnte, liegt zum einen tief in der südwestlichen Mentalität begründet. Der grundsolide Macher von Wirtschaftsfusionen wie Landesbank, Energieunternehmen und Südwestrundfunk war im letzten Jahr zu sehr abgemeiert und schlechtgeredet, die junge SPD-Frau Ute Vogt zu sehr als Talkshow-Star hochgelobt worden. Ein bisschen jung und dynamisch, ein bisschen Erneuerung, werden sich die Wähler gedacht haben, das wäre ja ganz schön gewesen. Aber bloß nicht zu viel davon und bloß nicht übertreiben. Darauf konnte sich Teufel, der dickschädlige katholische Bauernsohn, felsenfest verlassen. Wirtschaftswachstum, geringe Arbeitslosigkeit, wachsender Wohlstand sind im Südwesten allemal wichtiger als die bloße Wechselstimmung.

Erwin Teufel klopfte seinen Erfolg schon am Sonntagabend gegen alle parteiinternen Kronprinzengerüchte von vorzeitigem Rücktritt fest.

Er sei, verkündete er, fest entschlossen, auch die nächsten fünf Jahre im Amt zu bleiben. Über die Grünen spottete Teufel, ganz das Paradebeispiel der Beharrlichkeit, sie seien eben nur „eine Ein-Generationen-Partei“.HEIDE PLATEN

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