piwik no script img

Der Tod im Blick der Kunst

Das Medizinhistorische Museum zeigt Farbfotos von jahrhundertealten Präparaten. Im Gegensatzzur „Gartenzwergkultur“ der „Körperwelten“-Ausstellung sollen sie die Präparate ohne Pose zeigen

von BARBARA BOLLWAHN DE PAEZ CASANOVA

Lange bevor der Heidelberger Anatom Gunther von Hagens Berlin mit seiner „Körperwelten“-Ausstellung heimsuchte, hat das Künstlerpaar Daniel und Geo Fuchs offene Schädeldecken, missgebildete Föten und menschliche und tierische Organe fotografiert. Nachdem die Plastinat-Show bereits seit sechs Wochen in Berlin zu sehen ist, zeigt das Medizinhistorische Museum der Charité nun den fotografischen Umgang mit dem Thema Leben und Tod.

Unter dem Titel „Conserving“ sind in der Hörsaalruine 40 großformatige Farbfotos von bis zu 300 Jahre alten, in Alkohol und Formalin konservierten Exponaten zu sehen. Sie stammen aus dem Medizinhistorischen Museum, dem Naturkundemuseum, dem Institut für Anatomie der Charité und aus anatomischen Sammlungen aus ganz Europa, die bisher nicht öffentlich zu sehen waren.

Einige der 60 mal 80 Zentimeter großen Aufnahmen werden durch die Originale ergänzt. Dazu gehören beispielsweise der Kopf eines Neugeborenen mit geöffneter Schädeldecke und sichtbarem Gehirn, ein Schneehase oder eine Bärentatze. Das Anliegen: „Jenseits der ‚Körperwelten‘ wird mit diesen Arbeiten tatsächlich eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem ‚Echten‘, den aufgehobenen Dokumenten des einst Lebendigen, vorgelegt.“

Von Hagens wurde zur Vernissage gestern Abend nicht eingeladen. „Da haben wir mit keiner Silbe dran gedacht!“, sagt Thomas Schnalke, der Direktor des Medizinhistorischen Museums. Dessen Ausstellung der Ganzkörperplastinate sei zwar „legitim“, und die „geniale Technik“ biete sich an, im didaktischen Kontext den Bau des menschlichen Körpers zu zeigen. Aber „beim Posieren und Hantieren mit Menschenmaterial“ gehe von Hagens „einen Schritt zu weit“. Schnalke machen die Posen von Plastinaten wie dem Reiter und dem Schachspieler ratlos. „Was sagt mir das?“, fragt Schnalke. Die einzige Antwort, die er findet: „Das ist Gartenzwergkultur.“

Die nun gezeigten Fotos hingegen erinnern die Ausstellungsmacher durch eine „atemberaubende Schönheit der Farben und Strukturen“ an die Mysterien von Hieronymus Bosch. Schnalke beschreibt einen der Hauptunterschiede zu von Hagens’ Ausstellung damit, dass die Objekte nicht aus den Gläsern geholt und in Pose gebracht, sondern künstlerisch so abgebildet werden, wie sie sind. „Wer sich mit dem Körper und der Krankhaftigkeit auseinandersetzen will, kann sich durch die Kunst dem Sujet besser nähern.“

„Conserving“ ist bis zum 29. April im Medizinhistorischen Museum der Charité, Schumannstraße 20/21, dienstags bis sonnstags von 10 bis 17 Uhr sowie mittwochs bis 19 Uhr zu sehen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen