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Lesben und Schwule auf halber Strecke

■ Vier Jahre rot-grüne Gleichstellungspolitik: Für die GAL mal „kein Verliererthema“

Er sieht sich als Repräsentant der Gay Community, und so versteht Farid Müller seinen Parlamentarierjob auch. Die Interessen von Schwulen und Lesben auf politische Augenhöhe zu bringen, sie öffentlichkeitswirksam zu platzieren – so hat der GAL-Abgeordnete vier Jahre lang Lobbyarbeit gemacht. Es ist die erste Legislaturperiode in der Bürgerschaft, in der die Schwulenpolitik ein explizites Thema von Senat und Parlament war. Erreicht ist aber längst noch nicht alles, was auf dem Wunschzettel von Schwulen und Lesben steht.

Als wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion ist Müller hingegen unscheinbar geblieben, sein Schwerpunkt hat vier Jahre lang auf der Schwulenpolitik gelegen, stets unterstützt von Bürgermeisterin Krista Sager als derjenigen im Senat, die als Ressortchefin das Thema Gleichstellung beackert. Mittlerweile ein Politikfeld, mit dem die GAL sich schmückt und das sie auch wahltaktisch nach vorne stellt. „Es ist kein Verliererthema für uns“, formuliert Müller.

Nicht zuletzt hat er sich wieder einen sicheren 8. Listenplatz für die kommende Legislaturperiode deswegen sichern können, weil die Grünen auf die Stimmen aus der Community nicht verzichten mögen. Dazu kommt, dass Müller vor der KandidatInnenkür auf der Mitgliederversammlung vor zehn Tagen eine geschickte Mobilisierungskampagne gestartet hatte.

Tatsächlich ist Schwulenpolitik einer der wenigen Bereiche, in dem der kleine Koalitionspartner tatsächliche Erfolge vorweisen kann. Sager betont stets: „Die Hamburger Ehe hätten die SozialdemokratInnen allein nie so gemacht.“ Die Bundesratsinitiative zur Wiedergutmachung des NS-Unrechtes gegenüber Homosexuellen habe man „der SPD abgetrotzt“, sagt Müller.

Wobei man die SPD nicht unbedingt zwingen musste, auf das Thema einzuschwenken. Auch in der SPD-Fraktion gibt es mit Lutz Kretschmann einen Abgeordneten, der sich wie Müller zum Schwul-sein bekennt und dies auch zum öffentlichen Thema macht. Dass in der Bürgerschaft weitere schwulesbische Abgeordnete sitzen, die sich jedoch nicht outen, ist ein offenes Geheimnis.

Rechte für binationale schwule Paare, das Aufenthaltsrecht im Krankenhaus, das Homo-Referat im Senat – das ist eingeführt. Eine Anlaufstelle für Opfer schwulesbischer Gewalt – sie fehlt noch. Die AIDS-Aufklärung braucht wieder frischen Wind, fordert Müller: Hier sei gerade bei MigrantInnen und bei den ganz Jungen noch viel Arbeit zu leisten.

Das Thema Jugend ist ohnehin eines, das auf den Nägeln brennt. „In Schulen sieht es ganz düster aus“, sagt Müller: Wer heute als junger Mensch mit 13 oder 14 sein Coming Out habe, erfahre in der Schule kaum Unterstützung: „Das Thema wird von vielen LehrerInnen weggedrängt.“ Das liege auch daran, dass es für die LehrerInnen schwer sei, sich zum Schwulsein zu bekennen. „Die haben Angst vor Kollegen, vor Schülern und Eltern.“

Müller sagt: „Wir sind erst auf halber Strecke.“ Aber er hat dank seines Listenplatzes ja auch noch ein paar Jahre Zeit. Peter Ahrens

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