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Ohne Karte und Kompass

■ CDU-Sicherheitsexperte Roger Kusch versucht erneut, eine Statistik zu lesen

Roger Kusch, der Sicherheitsberater von CDU-Bürgermeisterkandidat Ole von Beust, hat im Streit um die Interpretation von Krimi-nalstatistiken noch einmal draufgesattelt. Gestern legte er eine Vergleichtsstatistik von acht deutschen Metropolen vor, um den CDU-Wahlkampfslogan „Hamburg – deutsche Hauptstadt des Verbrechens“ zu untermauern. „Für diese Politik trägt Bürgermeister Ortwin Runde die volle Verantwortung“, so Kusch wortgewaltig. Zugleich bot er aber dem Senat erneut einen „Sicherheitspakt“ an, um das Thema Innere Sicherheit aus dem Wahlkampf zu verbannen: „Ole von Beust würde sofort einige Wahlkampftermine absagen.“

Offenkundig weiß Kusch genau, auf welch dünnem Eis er sich mit seiner Zahlentrickserei bewegt. Obwohl er der Hamburger Polizei eigentlich den Kollaps prophezeit, „weil der Hamburger Senat nicht hinter seiner Polizei steht“ und „kein Interesse an Innerer Sicherheit hat“, lobt er im selben Atemzug den Sicherheitsapparat: „Wir schätzen die Arbeit der Polizei – bei Kapitalverbrechen wird in Hamburg nicht schlechter aufgeklärt als in anderen Städten.“

Und deshalb griff er erneut zu seinem Lieblingsthema Raubdelikte, wo tatsächlich ein Anstieg zu verzeichnen ist, um die Schaffung von 100 neuen Stellen bei der Polizei zu fordern. „Rundes Sparen um des Sparens willen bei der Polizei ist unverantwortbar“. Dass mehr Polizei nicht automatisch mehr Sicherheit bedeutet, belegt indes das von ihm zu eigen gemachte Zahlenwerk. Denn bei einer doppelt so hohen Polizeidichte von 20,2 Polizis-tInnen pro Quadratkilometer in Berlin, liegt die durchschnittliche Aufklärungsquote an der Spree mit 49,7 Prozent im Vergleich zu Hamburg (43,4 Prozent) kaum höher.

Innenbehördensprecher Chris-toph Holstein geißelte daher die Zahlenspielerei auch als „Wahlkampfmanöver ohne Karte und Kompass, um Unsicherheit und Angst zu verbreiten“. Statistiken bedürften der Interpretation. So habe die Polizei gerade bei Raubdelikten um ein verändertes Anzeigeverhalten geworben, um das Dunkelfeld aufzuhellen. Ohne weitere Analyse ist indes für Amtsrichter Ronald Schill von der Schill-Partei der Fall klar. „Innensenator Hartmuth Wrocklage muss sofort zurücktreten.“ kva

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