DIE UNCTAD BEWEIST ES: LAFONTAINE KOMMT WIEDER: Das Herz schlägt doch links
Exfinanzminister Oskar Lafontaine wäre begeistert. Sein ehemaliger Staatssekretär Heiner Flassbeck wirkt nun an anderer Stelle, nämlich bei der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation. Und schlägt dort prompt Wechselkurs-Zielzonen vor. Für diese Idee wurde Lafontaine kurz vor seinem Rücktritt von Wirtschaftsliberalen heftig kritisiert. Das Argument: Solche Zielzonen störten den freien Kapitalverkehr, weil sie „Eingriffe von oben“, also Interventionen auf dem Devisenmarkt, notwendig machten. Was damals nicht erwünscht war, wird heute wieder diskutiert – und das ist gut so.
Das beste Argument für Wechselkurs-Zielzonen ist der Euro. Seit gut zwei Jahren ist er unterbewertet. Schon lange spiegelt sein Kurs nicht mehr die echte Differenz zwischen den Wirtschaftsleistungen in den USA und in der Eurozone wider, sondern den Appetit internationaler Geldanleger auf Dollar. Das hat weit reichende Auswirkungen, auch außerhalb der virtuellen Welt der Börsen: Die Exporte aus Europa sind für die Dollarzone unverhältnismäßig billig geworden. Politiker in Euroland konnten sich vor anstehenden Reformen oder vor einer notwendigen Belebung des Arbeitsmarkts drücken – schließlich boomte die Wirtschaft. Jetzt wird die Rechnung präsentiert: Gehen die Exporte zurück, gibt auch die Konjunktur nach. Hätten die Zentralbanken hingegen schon längst ein Limit festgelegt, bis zu dem der Euro sinken darf, wäre eine solche Verzerrung erst gar nicht möglich gewesen.
Solche Zielzonen hätten außerdem den Vorteil, dass sie eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den großen Wirtschaftsräumen erforderlich machen. Interventionen müssten abgesprochen, die dafür nötigen Währungsreserven aufeinander abgestimmt werden. Künstliches Niedrighalten der eigenen Währung zur Exportbelebung wäre nur noch begrenzt möglich. Auch könnten sich die Zentralbanken bei ihrer Zinspolitik endlich wieder auf das Wesentliche, nämlich die Lage im eigenen Land, konzentrieren. Kommt die Wirtschaft dort nicht in Gang, sollten sie die Zinsen senken. Vor allem im letzten Jahr aber hat sich die Europäische Zentralbank viel zu stark an dem Ziel orientiert, Kapital in die Eurozone zu holen. Ihr – freilich nie ausgesprochener – Hintergedanke: Liegen die Euro-Zinsen zu weit unter dem hohen US-Niveau, sinkt der Kurs des Euro noch weiter.
Den Beweis, dass Wechselkurs-Zielzonen ein wirksames Mittel sein könnten, um Finanzmärkte zu stabilisieren, und dass die Börsenwelt folglich um ihre Profite fürchtet, lieferte der Lafontaine-Rücktritt: Die Börsenkurse schossen damals schlagartig in die Höhe, sogar der Euro zog mit.
KATHARINA KOUFEN
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