: Oldenburger EWE steigt in Bremen ein
■ Oldenburger Strom-Gesellschaft EWE schluckt die Mehrheit der Bremer swb-Tochter Nordcom. „Hanseatisches Flair“ der Bremer Telefon-Marke soll erhalten bleiben
Glücklich sahen die beiden Herren nicht gerade aus, die gestern vor laufenden Kameras einen Kaufvertrag und den Willen zu „strategischer Partnerschaft“ unterschrieben: Jörg Willipinski, Arbeitsdirektor und seit dem Weggang des Vorstandsvorsitzenden Gerhard Jochum kommissarischer „Chef“ der Bremer swb AG, verkaufte ein Stück Zukunfts-Potenzial des Konzerns, nämlich die Telefon-Tochter. Und das ausgerechnet an den mächtigen Konkurrenten aus Oldenburg, den EWE-Chef Dr. Werner Brinker. Mit 50,1 Prozent hat die swb-Holding die strategische Mehrheit der Nordcom abgegeben, ihr bleiben gerade einmal 14,8 Prozent der Anteile. Welchen Preis die EWE dafür bezahlen musste, darüber war Stillschweigen vereinbart.
EWE-Chef Brinker war in die Bremer Zentrale „seines“ neuen Unternehmens gekommen, um zu verkünden, die Nordcom solle als Marke erhalten bleiben: „Die Nordcom ist und bleibt ein Bremer Unternehmen mit hanseatischem Flair.“ Seine 100-prozentige Tochterfirma EWE TEL und die Nordcom, an denen er nun die Mehrheit hat, seien „ähnlich aufgestellt“ und sollten „gemeinsam schlagkräftiger“ den immer noch von der Telekom dominierten norddeutschen Markt bearbeiten.
Der Versuch der Nordcom, weiter ins „EWE-Land“ um Bremen herum zu expandieren, wird nun nicht mehr fortgeführt. „Regionale Schwerpunkte“ seien zwischen den beiden Töchtern abgesprochen, versicherte auch Willipinski. Die EWE TEL war seit Dezember 1999 mit einem großen Werbefeldzug ins Nordcom-Land eingedrungen. Wenige Monate zuvor hatte der Nordcom-Aufsichtsratsvorsitzende Willipinski gegenüber Journalisten über einen möglichen Verkauf von Nordcom-Anteilen geplaudert. Damals ging es aber eher um überregionale Telefon-Anbieter wie Arcor/Mannesmann.
Insbesondere im lukrativen Geschäftskunden-Bereich konnte die EWE TEL auf dem Bremer Markt der Nordcom einige Kunden wegschnappen, allen voran die Landesregierung selbst, die ihre Ferngespräche über die EWE TEL führt. Bremer Kunden, die zur EWE TEL gegangen sind, werden dort bleiben, aber intensive Akquisition wird die EWE TEL in Bremen in der Regel nicht mehr machen. Die beiden bisher gegeneinander arbeitenden Unternehmen würden „jetzt ganz eng zusammenarbeiten“, versicherte Willipinski. Man wolle keine „doppelten Kapazitäten“.
Wie lange die „enge Zusammenarbeit“ der beiden ungleichen EWE-Töchter währt, ist offen. Immerhin hat die Mutter von den Verlusten bei der einen Tochter nur halb so viel wie bei der anderen, später einmal gilt das umgekehrt auch für mögliche Gewinne. Dass die Oldenburger Konzernmutter die lukrativen Geschäfte zu gleichen Hälften auf die ungleichen Töchter verteilt, scheint daher eher unwahrscheinlich. Auf die Frage nach der Laufzeit der vertraglichen Garantien für die Nordcom erklärte Willipinski denn auch, „Verträge sind wichtig“, wichtiger sei aber das Vertrauen der Partner ineinander. Vertrauen hat bisher das Verhältnis von EWE und Bremer Stadtwerken nicht gerade geprägt. Und da die swb nur noch 14,8 Prozent der Anteile an der Nordcom behält, wird das Vertrauen des Bremer Stromversorgers ganz unwichtig werden. Die anderen Nordcom-Gesellschafter sind die Sparkassen Bremen und Bremerhaven sowie die finnische „Elisa“-Kommunikation.
Warum es nicht gleich zu einer Fusion gekommen ist, und aus welchen Gründen die swb ausgerechnet ihre Tochterfirma des Zukunftsmarktes Telekommunikation dem Rivalen aus dem Stromgeschäft verkauft, wurde auf dem Pressetermin gestern nicht weiter erklärt. Solange das Land Bremen die Mehrheit der Anteile hielt, hatte sich die swb immer strikt gegen Beteiligungs-Angebote der EWE-Konkurrenz aus Oldenburg gewehrt. Für den neuen Mehrheits-Anteilseigner, den holländischen Essent-Konzern, dürften die „Kosten“ der kleinteiligen regionalen Konkurrenz im Vordergrund stehen. Die Konkurrenz der Telefon-Angebote ist dabei eher eine Spielwiese; richtig teuer ist die regionale Konkurrenz im Strom-Geschäft.
K.W.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen