piwik no script img

Ein Donnerwetter im Bundestag

Fertigstellung der Parlamentsbauten im Spreebogen verzögert sich um Monate, Bundestagsfraktionen können nicht umziehen. Baukommission des Bundes will Verzögerungen nicht hinnehmen und macht Baugesellschaft für Schlampereien beim Jakob-Kaiser- sowie Paul-Löbe-Haus verantwortlich

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ein wenig zerknirscht über das große Haus, aber trotzdem vollmundig hatte Gerhard Schröder bei der Eröffnung des neuen Kanzleramtes am 2. Mai den „Umzug für abgeschlossen“ erklärt. Ein mutiger Satz, hätte doch ein Blick auf die Baustellen im Schatten des Reichstags genügt, ihn zu anderen Aussagen zu bewegen. Aber Schröder schwieg, denn was für den Bundeskanzler gilt, muss noch lange nicht für die Fraktionen und Abgeordneten des Deutschen Bundestages gelten.

Denn nicht nicht wie geplant im Frühsommer werden die Bundestagsabgeordneten in ihre neuen Büros sowohl im Jakob-Kaiser-Haus als auch im Paul-Löbe-Haus am Reichstag übersiedeln können. Der Umzug von Fraktionen und Bundestagsmitarbeitern in die über 2.500 Büros des 900 Millionen Mark teuren Jakob-Kaiser-Hauses ist wegen Verzögerungen beim Innenausbau erst einmal geplatzt.

Nach Mitteilung der Bundesbaugesellschaft Berlin (BBB) kann die Arbeit der Parlamentarier „frühstens Ende Oktober aufgenommen werden“, wie deren Sprecher André Lundt erklärte. Bauexperten des Bundestages, wie der CSU-Abgeordnete Peter Ramsauer, befürchten, dass sich auch dieser Termin nicht halten lässt. Angesichts der verspäteten Gebäudefertigstellung und fehlenden Technik auch in dem zweiten Bürokomplex könnte sich der Zeitraum für den Einzug bis zum Winter verschieben.

Die Baukommission des Deutschen Bundestages hat nun mit scharfer Kritik auf die Ankündigung der BBB reagiert. Viel zu spät, so deren Vorsitzender Dietmar Kansy (CDU), habe die Bundesbaugesellschaft den Bundestag informiert. „In allen Fraktionen“, sagte gestern der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt, habe die Mitteilung der Bundesbaugesellschaft vom Dienstag „ein Donnerwetter ausgelöst“ und zu „maßloser Verägerung geführt“. Die BBB müsse alles dafür tun, so Schmidt, dass die Fraktionen doch noch innerhalb der Sommerpause die Gebäude beziehen könnten.

Die Aufregung ist berechtigt. Das Jakob-Kaiser -Haus wird zu wesentlichen Teilen von den Fraktionen des Bundestages in Anspruch genommen. Ein Umzug nach der Sommerpause in der Zeit der Plenarsitzungen oder an Weihnachten ist kaum praktikabel.

Zudem bestünde etwa für die SPD-Fraktion, die derzeit im Rosmarin-Karrée Unter den Linden tagt, die Schwierigkeit, dass dort andere Nutzer vor der Tür stehen. „Dort müssen wir dringend raus“, so Schmidt, „da die Mietverträge auslaufen.“ Schon aus diesem Grund komme ein verspäteter Umzug nicht infrage. Schließlich mahnte Schmidt an, dass auch im Paul-Löbe-Haus die technischen Installationen nicht vorhanden seien und darum auch dort mit Verzögerungen zu rechen sei. Schmidt und die Baukommission drängen nun auf eine Regelung, die Zwischennutzungen ermöglicht, sollte erst im Winter der Einzug in die Gebäude vonstatten gehen können.

Zudem befürchten sie zusätzliche Kosten in Millionenhöhe auf Grund der Verzögerungen am Bau und der anstehenden Mietzahlungen. Da die Fertigstellung schon von 2000 auf 2001 verschoben wurde, geht Schmidt mit der BBB nun hart ins Gericht. Diese sei für die Schlampereien am Bau verantwortlich. Außerdem habe sie seit dem Wassereinbruch vor Monaten auf Zeit gespielt und die Panne als „Alibi“ genutzt, um den Umzug in die neuen Büros hinauszuzögern. Mit der neuesten Ankündigung habe die BBB den „Offenbarungseid geleistet“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen