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Morde vom Hamburger Berg

Heute startet die 5-teilige Serie „Die großen Kriminalfälle“ (Do., ARD, 21.45 Uhr, ARD)

Ein „großer“ Kriminalfall ist laut ARD-Definition einer, der besonders reges öffentliches Interesse erregt hat und in dem mit besonders großem polizeilichem Aufwand ermittelt wurde. Besonders scheußlich muss er natürlich auch sein.

Im ersten der fünf Filme erinnern sich in Hamburg-St. Pauli Kripo und Kiezbewohner an den schielenden Nachtwächter Fritz Honka, der in seiner Altonaer Mansardenwohnung zwischen 1971 und 1975 vier Frauen ermordet und zerstückelt hat. Sie alle waren Prostituierte, die der schmächtige Herr mit den hohen Lederstiefeln und den schaufelförmigen Pranken in Lokalen am Hamburger Berg, einer Parallelstraße der Großen Freiheit, kennen gelernt hatte.

Der Wirt des „Goldenen Handschuh“ erzählt von Honkas Marotte, Damen einzuladen, ohne sich zu erkennen zu geben. Die Kellnerin eines anderen Lokals wird schon deutlicher. Die „letzten Frauen“ seien das gewesen, die mit Honka mitgegangen seien, ältere Huren mit wenigen Kunden. Deshalb sei das Verschwinden der Frauen auch nach Jahren noch nicht bemerkt worden.

Was man im Film über das Leben Fritz Honkas zwischen Wohnlager, Psychiatrie und Altenheim – er wurde 1935 geboren und starb 1998 in Scharbeutz – erfährt, klingt deprimierend. Nach seinen Angaben sei der Vater als Kommunist in einem Konzentrationslager der Nazis umgekommen. Von Honkas Mutter ist nur bekannt, dass sie ihn und seine acht Geschwister nach dem Krieg in ein Waisenhaus gab. „Er hat sie nie wiedergesehen“, raunt der Sprecher unheilvoll, wie um anzudeuten, dass die späteren Frauenmorde in Hamburg mit der Abwendung der Mutter zusammenhängen.

Sicher spricht einiges für diese Vermutung. Nur gehen die Autoren Danuta Harrich-Zandberg und Walter Harrich ihr nicht nach. Gedehnt schildern sie grausige Details – Honka hatte die meisten Leichenteile in einem Dachbodenverschlag versteckt – und lassen Bernhard Rudolph, Polizeireporter der Bild-Zeitung, die Aufgaben, die einem Boulevardjournalisten bei solch schauerlichen Anlässen zufallen, bis zur Lächerlichkeit verharmlosen.

Im Übrigen werden die Zuschauer mit Klischees vom „Rotlichtviertel“ St. Pauli und vom „nicht vorzeigbaren“ Stadtteil Altona abgespeist, der „nur für Negativschlagzeilen“ gut sei. Zu den stärkeren Momenten gehören einige Innenansichten der Kneipen am Hamburger Berg. Sie wären ein geeigneter Ausgangspunkt für einen Film gewesen, der weniger auf Gruseleffekte setzt.

Psychologisch fundierter geht es in den nächsten beiden Beiträgen der Reihe zu: Am 17. Mai schildert „Tod einer Bestie“ die Taten des sadistischen Pädophilen Erwin Hagedorn. „Der Hammermörder“ (24. Mai) beschreibt die Wandlung eines braven schwäbischen Polizisten zum Gewalttäter. PHILIPP SCHULZ

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