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Umstrittene Solidarität

Erstmals seit dem UN-Embargo fliegt heute eine Reisegruppe von Frankfurt nach Bagdad, um „das irakische Volk zu unterstützen“ – zwei Tage auf Regierungskosten. Pro Asyl und medico international wittern Unterstützung für Hussein

von ANTJE BAUER

Solireisen sind seit einiger Zeit außer Mode gekommen. Doch heute soll es ein Revival geben, eins der besonderen Art. Im Namen der „Soldarität mit dem irakischen Volk“ will eine Gruppe von etwa 135 Deutschen und Irakern mit einer Chartermaschine von Frankfurt am Main direkt nach Bagdad fliegen. Es wäre der erste Personenflug von Deutschland in den Irak, seit die Vereinten Nationen nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait 1990 ein Embargo gegen dieses Land verhängt haben. Vor Ort wird die Reisegruppe im Nobelhotel al-Mansur untergebracht und zwei Tage lang durch die irakische Hauptstadt kutschiert, inklusive Stadtbesichtigung, Gesprächen mit Regierungsvertretern und Besichtigung von „Einrichtungen der zivilen Gesellschaft“. Die Mitreisenden müssen 1.500 Mark Flugkosten berappen. Für den Aufenthalt vor Ort „sind wir Gäste der irakischen Regierung“, wie es in der Einladung heißt.

„Dies ist eine Protestaktion von Deutschen, die sich mit dem belagerten irakischen Volk solidarisieren“, erklärt Aziz Alkazaz von der Deutsch-Irakischen Gesellschaft, die die Reise organisiert. Von mehreren anderen Ländern aus seien bereits ähnliche Flüge gestartet, bei einem Flug aus Paris sei sogar der frühere Innenminister, der Sozialist Jean-Pierre Chevènement, dabei gewesen. In Deutschland habe man es bereits zweimal versucht, doch nach Druck „von oben“ auf die britische Chartergesellschaft habe man im März Abstand nehmen müssen.

Offiziell ist dieses Mal offenbar alles geregelt. Die Fluggenehmigung für den „humanitären Flug“ hat die UNO erteilt, die Abflug- und Landeerlaubnis ist dann nur eine Formalität. Wer genau an der Reise teilnehmen wird, wollte der Organisator nicht bekannt geben. Es sei eine „sehr bunte Mischung“.

Die „Mischung“ und ihre Motive haben bei einer Reihe von Organisationen heftiges Misstrauen geweckt. Pro Asyl, medico international und die Gesellschaft für bedrohte Völker riefen zu Gegenaktionen am Frankfurter Flughafen auf. „Wir sind nicht für die Sanktionen, aber dieser Flug geht zu Saddam Hussein, und das ist eins der schlimmsten Regime der Welt“, sagte Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker der taz. „Das Schlechteste ist, wenn da Industriekreise mitfahren, die nur am Handel mit dem Irak interessiert sind.“ Ein Seitenhieb darauf, dass die Deutsch-Arabische Gesellschaft, deren Vorsitzender Jürgen Möllemann ist, die Reise unterstützt.

Zur Frage der Sanktionen ist es in der UNO vor wenigen Tagen zu einer Auseinandersetzung gekommen. Großbritannien hatte einen Vorschlag vorgelegt, demzufolge eine Reihe von Waren wieder zur Einfuhr zugelassen, dafür aber die Kontrollen verschärft werden sollten. Da das „Öl gegen Lebensmittel“-Programm am Sonntag abläuft, einigten sich die vier ständigen Mitglieder des Weltsicherheitsrats, USA, Großbritannien, Frankreich und Russland, gestern auf eine vorläufige Verlängerung des Programms – ohne Veränderung der Sanktionen.

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