KOMMUNEN WOLLEN UNTERNEHMENSVERKÄUFE BESTEUERN: Deutschland AG soll zahlen
Wenn normale Leute Steuern auf ihr Einkommen zahlen, sollte für Unternehmen das Gleiche gelten. Dieses Prinzip, das eigentlich Grundlage eines gerechten Steuersystems sein müsste, hat Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) vor anderthalb Jahren verletzt. Auf seine Initiative sollen die Unternehmen ab 1. Januar 2002 komplett von der Steuer befreit werden, wenn sie Aktienpakete anderer Firmen verkaufen, an denen sie beteiligt sind. Stößt die Allianz AG zum Beispiel Anteile von DaimlerChrysler für eine Milliarde Mark ab, soll sie in Zukunft dafür keine Abgaben an den Staat entrichten. Früher wären einige hundert Millionen Mark fällig gewesen. Dass dieses großzügige Geschenk durchaus seine Nachteile hat, fällt jetzt dem Deutschen Städtetag und auch der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf.
Ein bisschen spät, möchte man meinen. Trotzdem trifft die Kritik der Kommunen einen wichtigen Punkt. Setzt nämlich der Bund die komplette Steuerbefreiung durch, kann auch die Stadt München keine Gewerbesteuer mehr auf die Beteiligungsverkäufe der Allianz erheben. Bis zu 15 Prozent der Gewerbesteuer könnten ihnen verloren gehen, fürchten die Kommunen – und fordern nun, die Steuerbefreiung teilweise wieder rückgängig zu machen. Aus finanzpolitischer Sicht ist Hans Eichel tatsächlich weit über das Ziel hinausgeschossen. Gerade jetzt, da die Konjunktur wieder lahmt, könnten die öffentlichen Haushalte ein paar zusätzliche Milliarden gut gebrauchen.
Das Steuergeschenk ist nicht nur finanzpolitisch schädlich, sondern auch wirtschaftspolitisch fragwürdig. Zwar ist das Ziel richtig, die Deutschland AG zu entflechten. Die enge Verfilzung zwischen deutschen Banken, Versicherungen und Großunternehmen verhindert oft genug die Modernisierung der Betriebe und damit letztlich auch neue Arbeitsplätze. Und es erscheint auch nachvollziehbar, dass die Firmen nicht mehr den hohen Steuersatz von 56 Prozent zahlen wollten in Zeiten, in denen die Unternehmenssteuern weltweit sinken.
Dennoch war die Reduzierung des Steuersatzes auf eine glatte Null übertrieben: Nicht nur bei der Allianz in München war man über dieses Manöver von Hans Eichel erstaunt. Das Unternehmen hätte sich auch über einen verminderten Steuersatz von 20 Prozent gefreut – und trotzdem bald Beteiligungen verkauft. 20 Prozent liegen nahe bei dem, was die Kommunen jetzt fordern. Dieser Steuersatz hätte einen weiteren Vorteil: Er würde das Gerechtigkeitsempfinden wenigstens ein bisschen befriedigen. HANNES KOCH
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