: Lauter schöne Männer hier
Die Republik schaut ZDF und staunt: In der Hauptstadt gibt es stille Bürgermeister, jugendliche Kommunistenfresser und natürlich Gregor Gysi. Nur Maybritt Illner hat es keinen Spaß gemacht
von ROBIN ALEXANDER
Wer sagt, es wäre nichts los in der Glotze? Donnerstag 22.15 Uhr im ZDF: „Wahlschlacht um Berlin – Wer gewinnt die Hauptstadt“. Klingt ein bisschen nach Marshall Schukow im Mai 1945, aber es gar geht nicht um die Erste Weißrussische Front der ruhmreichen Roten Armee. Nein, hier sendet nicht Guido Knopp aus den Ruinen des Führerbunkers, sondern Maybritt Illner aus „Berlin Mitte“ im ZDF. Die Reputation von Illner und ihrer Sendung besteht im Wesentlichen darin, besser als die Konkurrenz von „Christiansen“ zu sein. Das wirft zumindest an diesem Abend kein gutes Licht auf die Sonntags-Sabine der ARD, denn eine Sternstunde für Illner wird diese Talkrunde wirklich nicht.
Aber gemach: 2,9 Millionen Zuschauer wollen an diesem Abend sehen, wer alles Bürgermeister von Berlin werden will, obwohl auf Pro 7 „TV-Total“ läuft.
Alle Wahlkampfberater auf diesem Planeten sind sich einig, dass die Wähler besser gucken als lesen könne. Deshalb ist dieser erste live übertragenen Schlagabtausch den Kandidaten so wichtig.
Klaus Wowereit möchte so wirken, wie sich die Zusacher einen Regierenden Bürgermeister vorstellen. Sie scheinen ihn sich vor allem sehr still vorzustellen. Aus dem Sessel in der Mitte der Runde blickt er treu in die Runde und schweigt. Und schweigt. Und schweigt. Er wird doch nicht eingenickt sein? Nein, da: Ein feines Lächeln. Wowereit lebt und sagt schließlich sogar, dass er die Berlin-eigene Pleitebank sanieren will. Mancher erinnert sich, wie früher Eberhard Diepgen teure Sendezeit verschlief, aber den hatten die Berliner ja auch schließlich gewählt.
Dafür redet Günter Rexrodt unentwegt. Hätte er gar nicht nötig. Seine Strategie ist aufgegangen, bevor die Sendung überhaupt begonnen hat. „Der sitzt doch nur im Publikum, oder?“ hatte eine Zuschauerin vorher noch ungläubig gefragt. Nein, Rexrodt darf auch ins Fernsehen und potenzieller Koalitionspartner spielen, obwohl seine FDP in Berlin die Fünf-Prozent-Hürde bei der letzten Wahl nicht mal von unten hat sehen können.
Da kann die grüne Kandidatin Sibyll Klotz nur fassungslos erinnern: „Wenn wir von 9,9 Prozent auf ein zweistelliges Ergebnis wollen, ist das doch realistischer, als wenn die FDP von ihren 2,2 Prozent auf 18 Prozent will!“ Überhaupt: Der frauenbewegten Klotz wird an diesem Abend einiges an Männereitelkeit geboten.
Steffel: „Wowereit ist doch seit 30 Jahren in der Berliner Politik.“
Rexrodt: „Sieht aber aus wie 29.“
Wowereit: „Sie sind ja wirklich ein ganz, ganz Lieber!“
Moderatorin Illner: „Ja, lauter schöne Männer hier!“
Der Mann von der CDU mit dem großen Kopf und den angegrauten Schläfen links neben der Moderatorin hieß übrigens Frank Steffel. Ja, er ist wirklich erst 35 Jahre alt – Fernsehen kann täuschen. Seine Werbeagentur müht sich in diesen Tagen, Steffel zum „Kennedy von der Spree“ aufzubauen. Die Berliner Herkunft ist glaubhaft. Steffel zu Gysi: „Sie ham nüscht zu melden!“
Ach, Gysi. Nach der Sendung schimpft er mit der Moderatin und verweigert erbost das Gruppenfoto. Alle waren wieder gegen ihn. Dabei weiß er doch am besten: Solange er sich für jedes ehemalige SED-Mitglied einzeln entschuldigen soll, braucht sich die PDS um ihre Wähler keine Sorgen zu machen.
Nach der Sendung drängt sich Gysi ausgerechnet in die Nähe von Steffel, der doch in diesen Wochen den Nachwuchs-Kommunistenfresser gibt. Im vertrauensbildenden Smalltalk wird man sich rasch einig, dass ostdeutsche Mitarbeiter loyaler und belastbarer sind als westdeutsche.
Die ostdeutsche Mitarbeiterin des ZDF, Maybritt Illner, lächelt ein wenig arg bemüht, als sie in der Nacht das Studio verlässt. In der Sendung hat sie einmal ihre Papiere auf den Schoß geknallt und gerufen: „ ... dass mich niemand nach meinem Spaß fragt!“ Nun ja, theoretisch kann man in solchen Sendungen auch Sachfragen stellen. Was soll’s! Schon Sonntag ist alles vergessen. Dann gibt es wieder „Christiansen“.
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