DOSENPFAND: CLEMENT MACHT SICH ZUM BÜTTEL DER INDUSTRIE: Umweltpolitik stört nur
„Eine freiwillige Lösung ist immer besser als eine Regelung“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Clement und verweigerte im Bundesrat Trittins Zwangspfandverordnung die Zustimmung. Die Vorlage scheiterte. Nur: Stimmt Clements Logik? Ist es tatsächlich vernünftig, eine Selbstverpflichtung des Handels zu akzeptieren – und das Zwangspfand als Methode aus der ordnungspolitischen Mottenkiste zu verwerfen?
Die Antwort ist einfach: Nein. Denn es gibt keinen Grund mehr, einer Selbstverpflichtung des Handels zu vertrauen. Schon dreimal versprach der Handel, die Mehrwegquote zu stabilisieren: erstmals 1977, zuletzt 1991. Damals führte CDU-Umweltminister Töpfer eine Sanktion ein, falls Getränkeindustrie und Handel ihren Zusagen nicht nachkommen: das Zwangspfand.
Und diese Sanktion wäre nun fällig. Doch statt sie zu verhängen, beschließt der Bundesrat, die Quote für die Selbstverpflichtung einfach zu senken – und eine erneute Selbstverpflichtung einzuführen. Ein Hohn. Das ist nicht „marktwirtschaftlich“, wie Clement behauptet, sondern eine Bankrotterklärung des Staates. Es ist auch eine Aufforderung an die Industrie, sich nicht mehr an Selbstverpflichtungen zu halten. Genau das aber ist verheerend, denn die Erfahrung zeigt, dass Selbstverpflichtungen der Wirtschaft durchaus funktionieren können – wenn Sanktionen wirklich drohen.
Zwar hat in dieser Frage der Bundesrat nicht das letzte Wort. Doch die Entscheidung lässt für die Zukunft Böses ahnen. Offenbar werden von großen Teilen der SPD wie der CDU Selbstverpflichtungen nur noch taktisch gesehen: Kosten sie nichts, dann ist es gut. Werden sie nicht erreicht, okay, dann senken wir halt die Ansprüche. Ein Winkelzug, um Umweltpolitk ganz zu verhindern. Obwohl die Verpackungsverordnung vor zehn Jahren mit großem Konsens eingeführt worden war, standen gestern nur zwei Grüne auf, um das Zwangspfand im Bundesrat zu verteidigen.
Die Bundesratsentscheidung führte drastisch vor Augen, was zu erwarten ist, wenn die Grünen nicht mehr mitregieren sollten. Sicher, bei einigen Landesregierungen spielte das Bedürfnis eine Rolle, dem verhassten Trittin eins auszuwischen. Vor allem jedoch offenbarte sich das neu-alte Abhängigkeitsverhältnis der Politik gegenüber den Großunternehmen: Bei Clement finden nicht einmal die Verbände der Mittelständler Gehör, und Stoiber lässt sogar seine traditionsreichen Privatbrauereien im Stich, wenn die Großen anklopfen. So machen sich die „Macher“ sich zum Büttel der Konzerne – und Umweltpolitik verkümmert zum schmückenden Beiwerk. Hauptsache: Sie stört nicht. MATTHIAS URBACH
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