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Bäume lügen nicht

„Gibt es nicht wichtigere Dinge?“: Auf dem Campus werden Säulen verpackt, die Studenten wollen lieber mehr Parkplätze  ■ Von David Böcking

Auf den Stufen vor dem Rechtshaus an der Schlüterstraße sonnt sich am Mittwoch ein Dutzend Studenten. Keiner beachtet zunächst den unauffälligen graubärtigen Mann in der Fotografenweste, der langsam eine „Budni“-Tüte auspackt. Die ersten irritierten Blicke, als er beginnt, eine der Säulen des Vordachs mit großen Papierbögen einzuwickeln. Ein stirnrunzelndes Wiedererkennen schließlich, als er die verpackte Säule mit einem Spruch bemalt. “Bäume lügen nicht“ steht da. Natürlich in grün. Außerdem, dass Bäume immer um ihre eigene Mitte wachsen, Blätter und Blüten beizeiten abwerfen und im Tod tausendfach neues Leben gebären. Hmm.

Den Teil über die Ehrlichkeit der Bäume kennen wohl die meisten Hamburger Studenten. Der Künstler Frank Radmacher hat ihn im vergangenen Semester auf Papierbanderolen an zahlreiche Bäume auf dem Campus geheftet, dann in erweiterter Form auf einen Bauzaun am Philturm und schließlich auf Flugblätter geschrieben. Immer verbunden mit dem Hinweis, näheres sei im Rechtshaus zu erfahren. Dort sind also heute die Säulen dran, der letzte Teil der Aktion. Und wozu das alles? Das fragen sich nicht nur die sonnenbadenden Studenten.

Auch ein Kommentar-Buch im Foyer des Rechtshauses, das einzige was Wahrheitssuchende dort bisher vorfanden, enthält neben manchem Lob für die Idee viel Unverständnis: „Gibt es nicht wichtigere Dinge im Leben als diesen Quatsch?“, „Bäume sind Scheiße, wir wollen lieber mehr Parkplätze“ bis hin zu „Tod allen Bäumen“. Gerne auch juristischen Erwägungen, ob beispielsweise für die Baum-Behauptungen denn auch Artikel 2 des Grundgesetzes gelten müsse. Mindestens ein Unbekannter sah das nicht so und zerfetzte kurzerhand das erste Buch mit Kommentaren.

Egal, Frank Radmacher grinst. Alle haben über seine Metapher nachgedacht, mehr wollte er nicht. Auch Nada Mandic, Betreiberin des Cafés Pause im Rechtshaus, die den befreundeten Künstler zu der Aktion einlud, ist zufrieden und plant schon weitere Kunstaktionen. Auch wenn die Genehmigung nicht ganz einfach war. „Wollen Sie etwa sagen, dass Juristen lügen?“ hatte man sie in der Verwaltung entsetzt gefragt. Nein, wollten die beiden natürlich nicht. Sondern einfach ein bisschen Kultur auf den Campus und überhaupt ins Grindelviertel bringen, das für ihren Geschmack mehr davon vertragen könnte. Wer das mit den Lügen doch noch genauer wissen will, kommt am 25. Juli um 19 Uhr zur Abschlussfeier der Aktion im Innenhof des Rechtshauses, der dann „Garten der Gerechtigkeit“ heißt. Oder er fragt einen Baum.

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