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Sperren und Umwege

Die Kultursenatorin erhält einen offenen Brief: Die Angst um Kürzungen von Projektmitteln und Stipendien hält an

Was macht ein Autor in Berlin, dem dieses Jahr ein Stipendium zugesprochen war, dessen Auszahlung aber mit einer Sperre belegt ist? Er liest von der Aufhebung der Haushaltssperre und kann nicht verstehen, wieso das Geld noch immer nicht kommt.

Thomas Wohlfahrt, Leiter der LiteraturWerkstatt Berlin, weiß von Künstlern, die eigentlich senatsgefördert sind und trotzdem ohne Mittel dastehen. Denn noch immer liegt ein Teil des Etats des Kulturhaushalts, zu denen Projekt- und Stipendiengelder gehören, auf Eis. Nach dem Willen der Finanzverwaltung dürfen sie erst ausgezahlt werden, wenn der Senat für Wissenschaft, Forschung und Kultur eine Einsparung von 30 Millionen erbracht hat.

Thomas Wohlfahrt gehört zu den Unterzeichnern eines offenen Briefes an Adrienne Goehler, Senatorin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, den zehn Vertreter von Kulturinstitutionen (Kunsthochschule Weißensee, Künstlerhaus Bethanien, Staatsoper, Berliner Festspiele, Kulturamt Neukölln und andere) Anfang der Woche geschrieben haben.

Der Anlass war die Information, dass die Finanzverwaltung innerhalb weniger Tage, bis zum 22. August, Einsparungsvorschläge von der Kulturverwaltung erwartet. Das, findet Wohlfahrt, widerspricht der Akzentverschiebung in der Kulturpolitik, wie sie der Bürgermeister, Klaus Wowereit, und Adrienne Goehler angekündigt haben.

Wiederum wird die Wucht des Sparzwanges, so befürchten Intendanten und Kuratoren, „die kleineren, nicht verstaatlichten Kultureinrichtungen“ treffen und „Kunstereignissen, die als eigentliche Basis den Ruf Berlins jenseits des Musealen und Repetierenden hinaustragen“, die Förderung entziehen. Zu den guten Nachrichten der Regierung Wowereit gehörte vor wenigen Wochen die Aufhebung der Haushaltssperre. Das anschließende Schreiben der Finanzverwaltung wirkt dagegen wie der Versuch, die freigegebene Summe auf Umwegen wieder festzuhalten.

Verdacht erweckt der Zeitraum, in dem das Rundschreiben die Korrekturen der Etats verlangt. „Es wäre nicht das erste Mal, dass in der Sommerpause Kürzungen beschlossen werden, über die sich im September dann alle entsetzt die Augen reiben“, mutmaßt Peter Hahn, der als Direktor des Bauhaus-Archivs den offenen Brief mit unterschrieben hat. Sein Museum gehört zu den kleineren Institutionen, die bisher immer am schnellsten von Kürzungen betroffen wurden. Für die gerade laufende Ausstellung über die Malerin Friedl Dicker-Brandeis (siehe taz 4. August) stand die Finanzierung mit Zusagen von Sponsoren und dem Bundesbeauftragten für Kultur erst vier Wochen vor der Eröffnung. Solches Jonglieren bis zur letzten Minute verkürzt den Atem und erschwert langfristige Recherchen, ohne die ein Museum nicht auskommen kann.

Sowohl Adrienne Goehler wie ihre Staatssekretärin Alice Ströver, die sich oft für dezentrale Projekte stark gemacht hat, haben bisher nicht vor, das Geld aus den Töpfen für Projekte und Stipendien zu kratzen. Sie setzen, wie die Sprecherin der Kulturverwaltung, Kerstin Schneider, mitteilt, auf Verhandlungen mit der Finanzverwaltung.

„Bisher sehen wir das nicht mit Panik“, sagt Schneider, „sondern hoffen auf die Einsicht der Finanzverwaltung, dass die Einsparung nicht zu erbringen ist.“ Sie würde Berlin in einigen Fällen sogar teuer zu stehen kommen, da es auch um Mittel für Forschungseinrichtungen geht, die vom Bund jeweils anteilig finanziert werden, sodass jede von Berlin gestrichene Mark gleich einen Verlust von zwei ausmacht. Die Unterzeichner des offenen Briefes würden sich gern als Bündnispartner der Senatorin sehen, die ihr in diesem Streit den Rücken stärken.

KATRIN BETTINA MÜLLER

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