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Was ist schon schlimm?

Orte für ein blaues Wunder (VII): Im „Lisboa a Noite“ zu Lissabon wird Fado gespielt. Karl Moik hätte seine Freude

Was hat das eigentlich mit diesem Fado auf sich?

Fado, das ist – wie man so sagt – die Musik Lissabons. Fado kommt nicht von „fade“, ist aber eine sehr traurige Musik. Großer Jammer, Sehnsucht und Trauer. Verlassene Frauen, betrogene Männer, Unfälle zur See, Selbstmorde zu Lande – Unglück noch und noch – hat alles keinen Sinn. Fado bedeutet „Schicksal“. Und zwar kein gutes.

Warum spielt der doch eigentlich lustige Portugiese eine solch traurige Musik?

Weil das mit dem lustigen Portugiesen ein großer Irrtum ist. Der Portugiese ist nicht lustig. Der Spanier auch nicht. Vielleicht hin und wieder gedämpft heiter. Aber: nicht fröhlich, wie der allzeit zu Scherz und Schabernack aufgelegte Italiener. Woher das kommt, ist eine interessante Frage. Der Iberer hängt wegen diffusen Seelen- und Weltschmerzes

in den Seilen. Irgendwas hätte man gerne und kriegt es nicht. Vielleicht sind die Portugiesen deswegen große Seefahrer gewesen – weil sie gehofft hatten, dort drüben, am anderen Ende der Welt, irgendwo das zu finden, was ihnen daheim fehlt.

Was fehlt?

Nichts. Sollte man meinen. Lissabon beispielsweise ist ein schönes Städtchen mit schönen Grünanlagen, hübschen Menschen, gutem Wein, einer gewaltigen Flussmündung ins Meer und einer romantischen Altstadt – Bairro Alto – zu der man per Straßenbahn hochfahren kann.

Um dort was zu tun?

Alles Mögliche: Zum Beispiel CDs mit Fado drauf kaufen oder im schönen, alten Literatentreffpunkt „A Brasileira“ Kaffee und Cognac zu schlürfen. Aber die Altstadt bietet auch schlimme Fußangeln, in denen sich der arglose Tourist verheddern kann. Z.B. das „Lisboa a Noite“.

Wird man da ausgeraubt ?

Nicht direkt, aber irgendwie dann doch. Das Lokal hat Gewölbe und Rauputz und ernst blickende Männer am Eingang. Drinnen wird man energisch an einen Tisch etwas abseits geleitet, weil die Mitte, das Zentrum des Gewölbes, direkt vor der Bühne, frei sein muss für Volksmusik-Freunde, die in großen Haufen auftreten. Amerikanische Reisegesellschaften beispielsweise. Aber gut, denkt man, es ist Urlaub, nicht so schlimm.

Was ist schon schlimm?

Ein eiterndes Gaumenekzem. Und die Musik im „Lisboa a Noite“. Wenn man als Tourist das erste Mal auf diese Art und Weise mit Fado in Kontakt kommt, vergeht es einem – so man was mit Musik anfangen kann – auf der Stelle. Noch schlimmer ist es, wenn man am Abend vorher richtig guten Fado gehört hat. Soll heißen: große Melancholie, ohne schmieriges Pathos. Gesten und Stimmen, die auch den abgestumpftesten Altenpfleger noch im Innersten anrühren. Das kann Fado sein.

Was ist es im Lisboa a Noite?

Darüber kann man rätseln. Zu sehen ist jedenfalls eine selten abgehalfterte Truppe. Da wird geknödelt und gehopst und geschrammelt, dass Karl Moik seine helle Freude dran hätte.

Warum geht man nicht einfach?

Weil sich einem die Bedienung praktisch vor die Füße wirft und einen unter Androhung weiterer musikalischer Sensationen an seinen Tisch zu bannen versucht. Man muss schon sehr stark sein, wenn man den traurigen Augen der Serviererin widerstehen kann. Ich habe mit eigenen Ohren gehört, wie sich erwachsene Gäste bei ihr mit anstehenden, wichtigen Terminen für das vorzeitige Verlassen des Lokals entschuldigt haben.

Was tun?

Warten, bis die Amerikaner gehen müssen. Dann aber schnell das Ränzlein geschnürt und sich in den allgemeinen Aufbruch und Amerikanerstrom eingefädelt und hurtig nach draußen spülen lassen! ALBERT HEFELE

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