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Kennzeichen D wie „Dschungel“

Harald Schmidt beteiligt sich, Siegfried und Roy rühren die Werbetrommel: Am 1. September geht mit Channel D der erste deutsche TV-Auslandssender an den Start. Lange vor ARD, ZDF und Deutscher Welle, die sich mit ähnlichen Plänen tragen

von ARNO FRANK

Wer als Deutscher, warum auch immer, seine Tage im Dschungel von Paraguay fristen muss, der hat’s nicht leicht. Horrende Telefonkosten, bissige Moskitos, und im Fernsehen laufen auch nur Seifenopern aus brasilianischer Fertigung. Letzteres zumindest könnte in zehn Tagen schon der Vergangenheit angehören, wenn mit Channel D der erste deutsche TV-Auslandssender an den Start geht. Statt der „Sklavin Isaura“ werden dann über Satellit der „Bulle von Tölz“, „Liebling Kreuzberg“ oder der „Tatort“ zu sehen sein. Nebenbei gibt’s via Channel D Radio ein besonderes Schmankerl: 24 Stunden Volks- und Schlagermusik. Für 20 Dollar im Monat, von Alaska bis Mexiko, von Peru bis Feuerland. Sieben Millionen Deutschsprachige leben in diesem Gebiet, eine Ausweitung auf Afrika, Asien und Australien ist in Planung.

Das Bouquet germanischer Fernsehkultur hat Karl-Otto Saur eingekauft, der in den Achtzigerjahren die Medienseite der Süddeutschen Zeitung leitete, dann zum Spiegel wechselte und heute als Channel-D-Programmchef um Abonnenten wirbt. Im wichtigsten Markt USA hat er schon zwei Kunden gefunden: Siegfried und Roy nahmen in Las Vegas von Geschäftsführer Jürgen R. Grobbin die ersten beiden „Smartcards“ in Empfang. Die Entertainer zeigten sich begeistert: „Mit Channel D bekommen wird endlich ein deutsches Fernsehprogramm, wie es die deutschsprachigen Bürger im Ausland sehen wollen. Channel D erhält unsere volle Unterstützung. Wir wünschen viel Erfolg.“ Der könnte Channel D beschieden sein, denn 31 Prozent aller in den USA lebenden Deutschen vermissen dort laut Umfrage am meisten das deutsche Fernsehen – gefolgt von der deutschen Autobahn (21 Prozent).

Amortisieren würden sich die Investionen des mittelständischen Unternehmens (2 Millionen Mark jährlich) schon bei 20.000 Abonnenten. Eine Rechnung, die wohl auch schon Harald Schmidt aufgemacht hat, der sich als privater Investor mit einer sechstelligen Summe an Channel D beteiligen möchte. Zur prominenten Schützenhilfe der Bremerhavener „Garagenfirma“ (Saur) leisteten auch die Öffentlich-Rechtlichen einen unfreiwilligen Beitrag: Die jeweiligen Filmhandelstöchter von ARD und ZDF hatten Saur die zukünftigen Filetstücke seines Programms verkauft: „Tadellöser und Wolff“ etwa, „Löwengrube“ und Pilcher-Verfilmungen – eben jenes „Best Of“-Programm, mit dem ARD und ZDF unter Federführung der Deutschen Welle Anfang 2002 selbst einen Auslandssender etablieren wollen, den „German Channel“ mit Schwerpunkt auf Information. Beim Bundesrechnungshof haben die Öffentlich-Rechtlichen schon mal einen Bedarf von 60 Million Mark angemeldet, entschieden wurde noch nicht.

Wundern darf es aber schon, dass der private Channel D erstens zeitlich die Nase vorn hat – und zweitens seine Pläne mit weit weniger Geld glaubt verwirklichen zu können. Im dualen System jedenfalls werden sich die Öffentlich-Rechtlichen und der private Anbieter nun auch global Konkurrenz machen. Die von Channel D gestreute Möglichkeit einer Gewaltenteilung (Channel D für Unterhaltung, German Channel für die Informationen) immerhin wurde weder dementiert noch bestätigt.

Einen kleinen Haken gibt es noch: Neben den zirka 50 Mark für eine „Smartcard“ müssten Abonnenten zusätzlich etwa 800 Mark für Receiver und Satellitenantenne hinblättern. Kein Problem dagegen wäre der Service: In Südamerika sitzt Channel D in Brasilien und, warum auch immer, in Paraguay.

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