: Marschbefehl für Erntehelfer
Mit 497 zu 130 Stimmen beschließt der Bundestag die Teilnahme der Bundeswehr am Nato-Einsatz in Mazedonien. Rot-Grün bekommt keine eigene Mehrheit für den Regierungsantrag zusammen. Union findet ihre Uneinigkeit nicht schlimm
BERLIN dpa/taz ■ Mit 497 zu 130 Stimmen, bei 8 Enthaltungen, hat der Deutsche Bundestag gestern entschieden, dass Soldaten der Bundeswehr an der Nato-Operation „Essential Harvest“ („bedeutsame“ oder „wesentliche Ernte“) in Mazedonien beteiligt werden sollen.
Unmittelbar im Anschluss sollten die ersten 70 Soldaten aus Niedersachsen und Bayern in die Krisenregion starten. Heute werden 200 Bundeswehrangehörige nach Skopje fliegen. Insgesamt können bis zu 500 deutsche Soldaten an der Nato-Aktion teilnehmen. Sie sollen die Waffen der albanischen Rebellenorganisation UÇK einsammeln.
Die Regierung hat bei der namentlichen Abstimmung keine eigene Mehrheit für ihren Antrag zustande bekommen. 305 Abgeordnete von SPD und Grünen stimmten für den Einsatz, für eine einfache Mehrheit hätten es 318 sein müssen. Laut ersten Angaben und Kalkulationen hatte es in der SPD 19 Abweichler gegeben. Bei den Grünen gab es 5 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen. Geschlossen gegen den Antrag gestimmt hatten die 37 PDS-Mitglieder, die FDP war etwa zu einem Drittel dagegen. Der Union war es trotz ausdrücklicher Empfehlung der Chefriege nicht gelungen, CDU- und CSU-Fraktion auf ein gemeinsames Ja zum Einsatz einzuschwören: In ihren Reihen gab es 61 Antragsgegner, 5 Fraktionsmitglieder enthielten sich. CSU-Landesgruppenchef Michael Glos behauptete gestern, Einigkeit in der Opposition sei in dieser Frage „nicht nötig“.
In der Debatte betonte Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ausdrücklich das „eigene nationale Interesse“ an einer „Stabilität auf dem Balkan“. Das müsse man allen erklären, die sich nicht oder wenig für Politik interessierten. Zuvor hatte vor allem Außenminister Joschka Fischer (Grüne) für die Beteiligung der Bundeswehr an der Waffenernte geworben. „Von der heutigen Entscheidung wird es mit abhängen, ob die Entwicklung in Mazedonien in Richtung Krieg oder Frieden verläuft“, formulierte er. Die Nato geht davon aus, dass in Mazedonien ein Bürgerkrieg zwischen der albanischen UÇK und den Truppen der Regierung von Ljubčo Georgievski droht.
Fischer betonte, dass es es sich anders als in Bosnien und im Kosovo in Mazedonien um einen vorbeugenden Nato-Einsatz handele. Das Balkanland habe ohne Hilfe von außen keine Chance – und dabei gelte es doch neben Slowenien als einziges mit einer Perspektive auf die Europäische Union. Exverteidigungsminister Volker Rühe (CDU) bemängelte dagegen das Mandat als „ungewöhnlich schwach und nicht ehrlich“. Eine Beschränkung auf 30 Tage und die Bedingung, dass die UÇK die Waffen freiwillig aushändige, seien kaum realistisch. Allerdings ist die Bundesregierung in einer nachträglichen Änderung des Antrags aufgefordert, innerhalb der Nato darauf hinzuwirken, dass die Truppe Zivilpersonen vor Übergriffen verteidigen darf.
Ähnlich wie auch die Grünen-Abweichler befürchtete Rühe, dass die Nato von den Konfliktparteien instrumentalisiert würde. PDS-Fraktionsvize Wolfgang Gehrcke kritisierte, die Nato habe „erneut die Vereinten Nationen ausgehebelt“.
Aus Skopje wurde unterdessen gemeldet, dass am dritten Tag ihrer Aktion die Nato mehr als 800 Waffen ausgehändigt bekommen habe. Am kommenden Mittwoch solle ein Drittel von 3.300 angegebenen Waffen albanischer Rebellen eingesammelt sein. Mazedonische Regierungssprecher haben mehrfach bezweifelt, dass die UÇK der Nato ihre Waffen vollständig aushändigt. UWI
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