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nebensachen zwischen peking und tokioChinesisch-japanische Grenzgänge

Kalte Nudeln im Sommer

Seit vier Jahren lebt unsere deutsch-japanische Familie in Peking – mit regelmäßigen Rückflügen nach Tokio, wo wir die vorherigen Jahre verbrachten. Es ist ein anstrengendes Hin und Her, denn es scheint uns, als pendelten wir zwischen zwei Welten, die grundsätzlich nichts voneinander wissen wollen, um ihre Ähnlichkeit voreinander zu verbergen.

Kürzlich saßen wir in einer Maschine der chinesischen Fluglinie Air China von Peking nach Tokio. An Bord wurde Chinesisch und Englisch gesprochen, aber kein Japanisch. Als wollte die chinesische Seite ihre japanischen Gäste darauf hinweisen, dass sie in Zeiten der Globalisierung ohne ihre Inselsprache auszukommen hätten. Gleichwohl wurde während des Fluges neben der chinesischen auch eine japanische Mahlzeit angeboten, die unter den chinesischen Fluggästen rasch vergriffen war. Denn die japanische Küche ist derzeit in China ein Hit unter Betuchten.

So beginnt unsere Liste der chinesisch-japanischen Ähnlichkeiten, mit der wir unsere Freunde hüben und drüben regelmäßig vor den Kopf stoßen, bei den Gaumenfreuden: Kalte Nudeln mit geschnittenem Ei und Schweinefleischstreifen sind in beiden Hauptstädten das beliebteste Sommergericht. Gerne verweisen wir auf große Übereinstimmungen im Erziehungswesen beider Länder – bis hin zur Einrichtung der Klassenzimmer und der Anordnung, dass Grundschüler ihre Schule selbst zu putzen und zu schrubben haben. Doch niemand glaubt uns.

In China muss man in diesem Zusammenhang nur das Wort Schule erwähnen, dann ist schon vom Nanking-Massaker die Rede und davon, dass das größte japanische Kriegsverbrechen in China in japanischen Schulbüchern hartnäckig geleugnet werde. Dem lässt sich heute wieder kaum widersprechen. Denn obwohl die Nanking-Passagen der meisten japanischen Schulbücher in den 90er-Jahren aufgearbeitet und verbessert wurden, ist in diesem Jahr ein neues, wie ehemals revisionistisches Schulbuch von der Regierung gebilligt und von seinem Verlag erfolgreich vermarktet worden. Die chinesische Öffentlichkeit hat sich darüber furchtbar erregt, was in Japan jedoch kaum jemand wahrgenommen hat.

Die allgemeine Gleichgültigkeit, mit der viele Japaner auf ihre Opfer im Zweiten Weltkrieg zurückblicken, ist aus unserer Sicht jedoch nichts, womit sie sich grundsätzlich von ihren chinesischen Nachbarn unterscheiden: Die Millionen Opfer der Kulturrevolution werden in China genauso verdrängt wie die Kriegsopfer in Japan.

Vielleicht sind es diese unangenehmen Ähnlichkeiten, die Japanern und Chinesen den Blick aufeinander verstellen. Sie spiegeln sich auch im Wirtschaftsleben. Wenn viele japanische Unternehmen heute schimpfen, dass jede Fabrik, die sie in China errichten, ein paar Jahre später sorgfältig kopiert im chinesischen Eigenbau ihr Ebenbild findet, so lassen sie sich ungern daran erinnern, dass ihre ureigenen Strategien vor dreißig Jahren nicht anders aussahen.

Leider gibt es außer der Vorliebe für die gemeinsame asiatische Esskultur derzeit wenig Dinge, die Chinesen und Japaner gerne miteinander teilen. Doch wir glauben, dass sich das ändern wird. Irgendwann werden beide Seiten feststellen, dass sie im Erziehungswesen mehr verbindet, als sie aufgrund der unterschiedlichen Geschichtsauffassungen trennt. GEORG BLUME

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