: Verbrechen der Wehrmacht, Teil II
■ Jan Philipp Reemtsma kommt jetzt wirklich nach Vegesack
Schon im Mai sollte er kommen, doch wegen einer zu vollmundigen Vorankündigung seitens des Bürgerhauses Vegesack hatte der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, den Termin kurzfristig abgesagt. Damals hatte das Bürgerhaus für sich in Anspruch genommen, deutschlandweit der erste Präsentationsort für die neue Konzeption der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944“ zu sein. Dabei sollte die Veranstaltung lediglich den Charakter einer Diskussionsrunde haben.
Am Dienstag, 11. September, wird diese nun schließlich doch noch im Bürgerhaus Vegesack stattfinden. Nach einem Vortrag von Reemtsma soll es die Möglichkeit geben, über den Streit um die alte Ausstellung und deren Neugestaltung zu sprechen. Eine wissenschaftliche Kontroverse, ausgelöst durch die Kritik des polnischen Historikers Bogdan Musil, hatte 1999 dazu geführt, dass die von heftigen politischen Auseinandersetzungen begleitete Ausstellung geschlossen wurde.
Musil hatte den Organisatoren einen fahrlässigen Umgang mit Bildquellen vorgeworfen: Einige der Fotos zeigten nicht Verbrechen der Wehrmacht, sondern der sowjetischen Geheimpolizei. Daraufhin war eine unabhängige Historikerkommission mit der Überprüfung der Ausstellung beauftragt worden.
Sie kam zu dem Ergebnis, dass einige Ungenauigkeiten und falsche Bild-Zuschreibungen vorlägen. Die Grundthese, die Wehrmacht sei an dem rassistischen Vernichtungskrieg in Osteuropa massiv beteiligt gewesen, bestätigten die Wissenschaftler.
Eine schlichte Korrektur der ursprünglichen Ausstellung genügte den Verantwortlichen nach eigenen Angaben nicht. Die Ausstellung, die Ende November in Berlin eröffnet wird, soll nun einem völlig neuen Konzept folgen. Die alte Gliederung nach Großschauplätzen wird ersetzt durch thematische Schwerpunkte: Völkermord, Deportation von Zivilisten, Repression/Geiselnahme, Partisanenkrieg, Kriegsgefangene, Hungerpolitik. Über allem steht die Frage des Kriegs- und Völkerrechts im damaligen Kontext. Weitere Räume befassen sich mit dem Foto als historischer Quelle, den möglichen Handlungsspielräumen der Soldaten, den Nachkriegsdebatten zu den Wehr-machtsverbrechen und zu der Ausstellung selbst.
Insgesamt achtet sie damit, aus Sicht der Organisatoren, auf ein Höchstmaß an Genauigkeit und Differenzierung und dürfte ihren Gegnern damit vermutlich nur noch wenig Angriffsfläche bieten.
Nina Gessner
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