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Radsportler fordern: „Legalize it“

„Down-Hill-Fahrer“ rasen steile Abfahrten über Stock und Stein hinab. Damit Natur und Passanten nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, benötigen sie eine ausgeschriebene Strecke. Aktivisten, Forstamt und Polizei beginnen Gespräche

von VOLKER ENGELS

Die einen radeln in friedlicher Gemächlichkeit oder mit sportlicher Eleganz mit ihren Fahrrädern durch Wald und Flur. Andere wollen vor allem eines: über Stock und Stein, bergauf und bergab dem eigenen Geschick und dem Rad alles abverlangen. „Down-Hill-Fahrer“ meiden geteerte Wege und schätzen besonders die Wildnis des Waldes: sperrige Wurzeln, steile Abfahren und armdicke Astgabeln. Ein Extremsport bei dem Unfälle unvermeidlich sind. Die Sprünge oder Flüge über Stock und Stein sind nur dann möglich, wenn Rahmen, Federn und Bremsen verstärkt werden. Ansonsten ist die Bruchlandung für Mensch und Maschine unvermeidlich.

Bislang kann diese Sport in Berlin allerdings nur im Verborgenen ausgeübt werden: Eine offizielle Piste gibt es nicht.

„Down-Hill-Fahren ist ein tolles Event, weil auch viele junge Leute aus anderen Städten daran teilnehmen und man sich kennen lernt“, erzählt David Fiebig, der seit rund zwei Jahren mit Freunden durch die Wälder rauscht. Der 24-Jährige kennt „so ziemlich alle“ Pisten, die es in Deutschland für die Extremradfahrer gibt: „In Bayern ist es überhaupt kein Problem, eine solche Piste einzurichten – nur in Berlin scheint das schwierig zu sein.“ Im Juli hatte die Polizei von 60 jugendlichen Down-Hill-Fahrern nach einem nicht angemeldeten Rennen durch die Müggelberge die Personalien festgestellt, einigen Rennfahrern flatterte später eine Ordnungswidrigkeitsbescheid ins Haus. Die Forderung der „Downhiller“ fasst Fiebig knapp zusammen: „Wir wollen endlich, dass etwas legalisiert wird, was schon seit Jahren passiert.“ Sie fordern nun in den Müggelbergen Berlins erste offizielle „Down-Hill-Piste“. Um dieser Forderung Nachdruck zu verleihen und mit einer Stimme zu sprechen, soll in den kommenden Wochen ein Verein gegründet werden. Dieser solle mit den Berliner Forsten über eine ausgewiesene Piste verhandeln. David Fiebig ist sicher: „Wenn wir eine abgesicherte Strecke hätten, wäre die Verletzungsgefahr für Fußgänger und Radfahrer viel geringer.“ Darüber hinaus könnten Jugendliche ihre Freizeit in Berlin verbringen und müssten nicht in andere Bundesländer reisen, um ihrem Hobby zu frönen. Doch nicht allein Jugendliche scheinen von der Idee begeistert zu sein, im Eiltempo durch die Wälder zu rauschen, denn viele Rennteilnehmer seien bereits etablierte Enddreißiger, eben „Vater, Mutter, Kind“.

Bei Radrennen jenseits der ausgezeichneten Wege sieht die Berliner Forstverwaltung viele Probleme: „Es ist streng verboten, abseits der gekennzeichneten Wege mit dem Rad durch den Wald zu fahren“, sagt Marc Franusch, Pressesprecher der Berliner Forsten. Viel wichtiger sei es aber, dass sich gerade in den Müggelbergen eine „Vielzahl von Erholungssuchenden tummelt“ und durch rasende Fahrradfahrer viele Risiken entstünden. „Fahrradfahrer haben im Wald nicht automatisch Vorfahrt.“ Gerade in den letzten Monaten habe es zahlreiche Verletzte gegeben, weil Radfahrer Fußgänger angefahren hätten oder sich selbst samt Drahtesel gegen Bäume manövriert hätten. Grundsätzlich würden die Berliner Forsten das Radfahren im Wald aber begrüßen: „Die Leute sollen sich diese Landschaften erobern.“

Unter den sportlichen Lasten der Down-Hill-Fahrer leide aber besonders die Natur. „An vielen Stellen“, klagt Franusch, „ist der Boden nicht richtig befestigt, so dass es zu massiven Erdbewegungen gekommen ist.“ Gerade im Gebiet der Müggelberge, zu dem auch das geschützte „Teufelsmoor“ gehört, „wurden erhebliche Wunden in die Vegetation gerissen“.

Im August haben sich Vertreter der Berliner Forsten, der Polizei und der Down-Hill-Fahrer an einen Tisch gesetzt, um über Lösungsmöglichkeiten zu sprechen.

Die Forderung der jugendlichen Rennfahrer, eine offizielle Piste einzurichten, stößt auch bei Marc Franusch nicht auf taube Ohren: „Es wäre Unsinn, wenn wir uns diesem Problem verschließen würden.“ Daher sehen auch die Berliner Forsten das „dringende Bedürfnis“, mit allen Beteiligten „eine Verabredung zu treffen“. Im September, so ist es geplant, wird bei einem Ortstermin im Wald weiter verhandelt.

Die Diskussion um die Down-Hill-Rennen in den Müggelbergen ist auch im Internet nachzulesen unterwww.blitzmob.de

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