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Untergang des Feuilletons: Kulturkonservative setzen den geistigen Stahlhelm auf

Der erste Schock ist überwunden; die Versuche, die Ereignisse von Dienstag in handhabbare Begriffe zu gießen, gehen weiter. Dabei dominieren leider immer noch die großen Worte, die schweren Zeichen: Es ist, so scheint es, derzeit die Stunde der Entdifferenzierer – und zwar nicht allein an den Orten, an denen man sie erwarten würde, an den Stammtischen und in den Boulevardmedien. Auch die nun anlaufenden intellektuellen Debatten sind vorerst von pauschalisierenden Ansichten und eingefahrenen, teilweise sogar überkommenen Denkweisen geprägt.

Als sei Samuel P. Huntingtons Phrase vom „Kampf der Kulturen“ noch nicht platt genug, geistert die Wendung vom „Weltbürgerkrieg“ wieder durch die Feuilletons. Sie stammt ursprünglich von dem Dichter und Essayisten Hans Magnus Enzensberger und ist im Grunde eine aktualisierte Version der gerade bei Konservativen gerne vertretenen These, der Mensch sei des Menschen Wolf. Anlässlich der Kriege im ehemaligen Jugoslawien und einer vermeintlich höheren Gewaltbereitschaft in deutschen U-Bahnen beschrieb Enzensberger einen gegenwärtigen Krieg aller gegen alle. Das war in den Neunzigern schon waghalsig genug. Dieses Szenario aber aus Anlass der aktuellen Ereignisse neu zu beleben geht nun vollends zu weit: Es ist schlicht viel zu unterkomplex, um die vielfältigen Konflikte zu fassen, die es zu analysieren gilt.

Das derzeit führende deutsche Feuilleton, das der FAZ, beruft sich gar noch auf Spenglers Wendung vom „Untergang des Abendlands“ und Botho Strauß’ „Anschwellenden Bocksgesang“. Diese Autoren hätten, so die FAZ, den „Weltbürgerkrieg, den Kampf zwischen Geld und Blut“ vorausgesehen. Durch die Attacke auf das World Trade Center sei diese Sicht verifiziert worden. An einer differenzierten Analyse ist so eine These gar nicht interessiert. Orientiert ist sie an einer kulturkonservativen Sehnsucht nach einem allumfassenden Erklärungsmodell: Zwischen „Zivilisation und Religion“ (FAZ) wird ein Drittes nicht gegeben. Akzeptanz auch nicht.

Gleichzeitig kommt an vielen Orten eine apokalyptische Semantik auf. Der eine Gesellschaftsanalytiker beschwört das „Ende des Global Village“, womit idyllische Multikultivorstellungen gemeint sind, der andere diagnostiziert das „Ende der Spaßgesellschaft“. Das wirkt wie ein Schnellschuss, ist es aber nicht. Und das ist das Brisante. Beim genaueren Blick zeigt sich, dass sich hier Motive wiederholen, wie sie die Diskussionen der Achtziger- und Neunzigerjahre rund um die Postmoderne prägten. Wer einem „Anything goes“ schon damals nichts abgewinnen konnte, für den ist die Irony nun endgültig over.

In anderen Worten: Man braucht gar nicht amerikanischer General zu sein, um nun den geistigen Stahlhelm aufzusetzen. Wer Ressentiments gegen eine offene, globalisierte Welt hat, der wendet sie nun leichtfertig an. Man kann nur hoffen, dass diese Art kulturkritischen intellektuellen Kriegsgewinnlertums die anstehenden Debatten nicht bestimmen wird. DIRK KNIPPHALS

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