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Nachrichten aus Absurdistan

Ussama Bin Laden soll Afghanistan freiwillig verlassen, haben die islamischen Religionsgelehrten in Kabul entschieden. Eine absurder Beschluss, denn wohl alle Nachbarstaaten würden den mutmaßlichen Terroristen bei seiner Einreise sofort an die USA weiterreichen.

Die Gelehrten wollten einen doppelten Kompromiss erreichen. Innenpolitisch erlauben sie jetzt der Regierung, das Gesicht zu wahren. Die Taliban hatten bisher Bin Ladens Aufenthalt mit traditioneller afghanischer Gastfreundschaft gerechtfertigt und sich gegen seine Auslieferung ausgesprochen. Die jetzige Entscheidung bleibt dieser absurden Begründung treu. Denn die indirekte Berufung auf die Kehrseite der Gastfreundschaft – dass ein Ehrengast selbst erkennt, wann er abreisen sollte – brüskiert die Gegner einer Auslieferung nicht. Nach außen signalisieren die Gelehrten die Erkenntnis, dass sie ein Problem mit ihrem Gast haben. Dabei lassen sie offen, ob sie die US-Vorwürfe für berechtigt halten oder sich den militärischen Drohungen beugen.

Doch letzlich ist die Entscheidung der Ulema gar keine – sie überlässt das Handeln anderen. Sowohl die Taliban wie die Gelehrten glauben, sie hätten mit der Entscheidung Zeit gewonnen. Doch von den Worten der Gelehrten dürften die USA wenig beeindruckt sein – der Aufmarsch geht weiter. Andererseits hat sich die US-Regierung selbst in eine absurde Situation manövriert. Sie hat sich bisher geweigert, die Quellen ihrer Beweise gegen Bin Laden vorzulegen, weil es sich um Geheimdienstinformationen handle. Sollten die USA demnächst Afghanistan bombardieren, dürfte sich die Frage nach Geständnissen, Zeugenaussagen oder Sachbeweisen nicht mehr stellen – ein toter Bin Laden macht es den USA am einfachsten. Dann geht die Eskalation in die nächste Runde, gegen einen Militäreinsatz wendet sich der zweite Teil des Beschlusses der Gelehrten: Dann werde der heilige Krieg verkündet.

Was aber, wenn Bin Laden tatsächlich lebend in die Hände der USA fällt? Die Vermutung, dass die Beweise der Ermittler für eine Verurteilung vor einem ordentlichen US-Gericht derzeit nicht ausreichen, ist weniger absurd, als sie im ersten Moment erscheint. Schließlich dürften die Anschläge seit drei Jahren vorbereitet worden sein. So lange hatten die Täter auch Zeit, um die Spuren zu ihren Hintermännern zu verwischen.

Möglicherweise taugen die US-Gesetze von heute gegen diesen Netzwerk-Terrorismus so wenig wie früher die Strafvorschriften gegen die Mafia. Dann müsste die Justiz gegen Bin Laden so ähnlich vorgehen wie gegen Al Capone: Der wurde 1931 nicht wegen Mordes verurteilt, sondern wegen Steuerhinterziehung. Das – gewichtigere – Äquivalent von heute könnten die Anschläge von 1998 auf die ostafrikanischen US-Botschaften sein, die ebenfalls Bin Laden vorgeworfen werden. Hier steht auch die UNO auf Seiten der USA, hier ist die Beweislage besser: Sie hat sogar den Weltsicherheitsrat dazu gebracht, Sanktionen gegen Afghanistan zu verhängen. SVEN HANSEN /DIETMAR BARTZ

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