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In der Angst vereint

Die 250.000 Muslime in der Stadt zeigen sich entsetzt über die Terroranschläge in den USA. Furcht vor Übergriffen bringt sie zusammen

von PHILIPP GESSLER

Die etwa 250.000 Muslime in der Stadt, so betonen ihre Vertreter immer wieder, eint das Entsetzen über die Terroranschläge am 11. September in den USA: Obwohl sie aus etwa 30 Staaten, von Marokko bis zu den Philippinen kommen, in 75 Moscheen beten, in vielen kleinen und großen Vereinen organisiert sind, die sich zum Teil frontal gegenüber stehen – die muslimischen Gruppen in der Hauptstadt würden nach den Anschlägen „etwas näher zusammenrücken“, erkennt Mohammed Herzog, Sprecher der „Islamischen Gemeinschaft deutschsprachiger Muslime Berlin“. Doch nicht nur Trauer führt zusammen. Es ist auch der Druck, dem die Muslime trotz innerer Zersplitterung gegenwärtig ausgesetzt sind.

Die Angst davor, dass in der deutschen Bevölkerung ein Feindbild Islam entstehen könnte, ist überdeutlich: Am Mittwoch veröffentlichten mehrere türkische Organisationen, die ihren Angaben nach 90 Prozent der türkischstämmigen Bevölkerung der Stadt repräsentieren, eine Erklärung, in der gewarnt wurde: Der Terror in den USA und die mögliche Täterschaft von Muslimen daran könnten in Berlin antiislamische Vorurteile steigern.

Und manche aufgehetzte deutsche Mitbürger werden auch schon handgreiflich: Herzog von den deutschsprachigen Muslimen weiß zu berichten, dass in der Hauptstadt muslimische Frauen bereits angespuckt worden seien. Ihr Kopftuch sei heruntergerissen worden. Manche der 36.000 muslimischen Kinder der Stadt müssten sich seit den Anschlägen in der Schule Beschimpfungen wie etwa „muslimische Sau“ anhören – so heftig, dass manche Eltern ihre Kinder nicht mehr zum Unterricht schickten.

Es gebe, so Herzog, trotz einiger positiver Beispiele echter Solidarität seit den Anschlägen in Teilen der Medien eine „Hexenjagd“ gegen Muslime. Ein „großes Angstgefühl“ herrsche vor. Er selbst habe schon Morddrohungen erhalten, weil er als Deutscher zum Islam konvertiert sei: „Verräter des deutschen Volkes“ sei er genannt worden.

Yunis Qandil, ein Vertreter des „Islamischen Kutur- und Erziehungszentrums“ an der Finowstraße in Neukölln, kann Ähnliches berichten: In seinem Zentrum, wo sich vor allem arabischstämmige Muslime träfen, habe er Geschichten gehört von Mitgliedern, die angepöbelt wurden, da sie wegen ihrer Kopftücher oder Bärte als Muslime erkennbar gewesen seien. Manche befürchteten, dass sich das gesellschaftliche Klima wegen der Berichterstattung über die wahrscheinliche Verantwortung von Muslimen an den Attentaten in Amerika zuungunsten der Muslime verändern könnte, ja es zu „Eskalationen“ kommen könne. Plötzlich stünden alle Araber unter Verdacht, Muslime und Araber würden in einen Topf geworfen. Im Gegensatz zu Herzog sieht Qandil auch die Gefahr, dass sich die islamischen Gruppen nach den Anschlägen wieder weiter voneinander entfernen könnten, da niemand mit womöglich zweifelhaften oder öffentlich inkriminierten Organisationen zu tun haben wolle.

Mohammed Jimoh, Vertreter des „Zentralrats der Muslime“ in Berlin berichtet: Zwar hielten sich „die Pöbeleien noch im Rahmen“. Wie es weitergehe, hänge aber daran, wie sehr die politische Lage noch eskaliere. Der Vizevorsitzende des türkischen Elternvereins, Alișan Genç, betont, Muslime dürften in dieser Stadt nicht unter einen „Generalverdacht“ gestellt werden – schon der häufige Gebrauch des Wortes wirke aber so.

Genç sieht aber auch eine eher positive Auswirkung der Anschläge: Das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit und Politik für die Bedeutung der Problematik eines Islams in der Diaspora sei gestiegen. Es verärgere ihn jedoch, dass man die sehr frühen Warnungen seiner Organisation vor dem Fundamentalismus lange Zeit nicht ernst genommen habe. Wenn eine religiöse Unterweisung „in Hinterhöfen“ ohne öffentliche Kontrolle stattfinde, gebe es eine problematische Entwicklung, die eine „explosive Brisanz“ annehmen könne. Vereine wie seiner, die sich schon immer für die Integration der jungen Muslime in die Mehrheitsgesellschaft engagiert hätten, seien aber kaum unterstützt worden.

So differenziert urteilt auch Mohammed Herzog: In der islamischen Gemeinschaft gibt es nach seiner Einschätzung nur etwa 50 bis 70 Menschen, die „sehr radikal“ seien. Aber die, so hebt er hervor, seien seiner Ansicht nach auch keine Muslime mehr.

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