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Genua noch nicht überstanden

Freigelassenen Gipfelkritikern droht in Italien juristisches Nachspiel. Einreiseverbote entsprechen nicht europäischen Regelungen. Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses in Italien „lässt Fragen offen“ – so das Auswärtige Amt

aus Berlin SUSANNE AMANN

Ein Kapitel deutsch-italienischer Beziehungen ist zumindestens auf einer Ebene abgeschlossen: Mit den in dieser Woche erfolgten Freilassungen sind alle Deutschen, die vor mehr als zehn Wochen nach den Protesten gegen den G-8-Gipfel verhaftet wurden, wieder auf freiem Fuß. Insgesamt waren bei den Demonstrationen während und nach der Tagung in Genua insgesamt 71 Deutsche durch die italienische Polizei festgenommen worden. Doch auch nach der Entlassung wird weiter ermittelt – die Verfahren laufen noch. „Wir werden in einem halben Jahr genauer wissen, gegen wen wegen welcher Tatbestände weiter ermittelt wird,“ sagte Rechtsanwalt Volker Ratzmann, der einige Betroffene vertritt.

Während das Auswärtige Amt nur in wenigen Fällen weitere Ermittlungen erwartet, befürchtet eine Sprecherin der Berliner Infogruppe „viele große Verfahren oder hohe Geldstrafen“. Auch die Einreiseverbote, die Italien gegen die Freigelassenen verhängt hat, sollen nach Angaben des Auswärtigen Amtes zurückgenommen werden. Sie seien mit europäischen Regelungen nicht vereinbar. „Wir hoffen, das ganz pragmatisch lösen zu können, ohne eine weitere Eskalation“, so ein Sprecher des Auswärtigen Amtes gestern in Berlin.

Unklar ist bisher auch, wer für die Anwaltskosten aufkommt, deren Höhe noch nicht abgeschätzt werden kann. „Meines Wissens werden sie im Moment von den Familien der Betroffenen getragen“, so die Sprecherin der Infogruppe Berlin. Der Erlös bundesweiter Solidaritätsveranstaltungen soll für die Anwaltskosten verwendet werden.

Die 71 Deutschen waren im Juli überwiegend bei der nächtlichen Razzia der Escuola Diaz und auf dem Heimweg festgenommen worden. Die italienische Justiz warf den inhaftierten Globalisierungsgegnern vor allem die Mitgliedschaft in einer kriminiellen Vereinigung, dem so genannten Black Block, sowie Landfriedensbruch und Plünderei vor.

Italien war wegen der Verhaftungen international in die Kritik gekommen, weil es von Seiten der Polizisten massive Übergriffe gegeben hatte. Vor allem der Überfall auf die Diaz-Schule war kritisiert worden, viele Verhaftete mussten mit Knochenbrüchen medizinisch behandelt werden. Entlassene berichteten von Misshandlungen wie Stockschlägen, der Androhung von Erschießung oder Vergewaltigung und Beschimpfungen. Das deutsche Außenministerium hält die Vorwürfe und Aussagen der Inhaftierten für „absolut glaubwürdig“, so ein Sprecher zur taz. Man erwarte von Italien eine umfassende Untersuchung der Anschuldigungen. „Wir müssen jetzt erst mal den rechtsstaatlichen Institutionen in Italien vertrauen und sehen vorerst keinen Anlass für eine internationale Untersuchungskommission.“

In Italien wird derweil aufgeklärt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss hat einen ersten Bericht über die Gipfelereignisse vorgelegt, der die Übergriffe der Polizei zwar behandelt, aber„einige Fragen offen lässt,“ wie ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Berlin diplomatisch formuliert. Die Staatsanwaltschaft in Genua hat mittlerweile über 30 individuelle Verfahren gegen Polizeibeamte eröffnet, unter anderem gegen alle Beamte, die an der Razzia in der Diaz-Schule beteiligt waren. Inzwischen wurden auch einige Beamte versetzt.

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