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Liberal genug

Entwicklungsländer kritisieren Programm der kommenden Welthandelskonferenz in Katar

von HANNES KOCH

Die Vorbereitungen zur nächsten Welthandelskonferenz gehen in die entscheidende Phase. Das Lenkungsgremium der Welthandelsorganisation (WTO) hat den Entwurf einer Abschlusserklärung für das Treffen im arabischen Emirat Katar (9. bis 13. November) geschrieben und sieht sich nun der Kritik daran ausgesetzt.

So stellt die Gruppe der ärmsten Entwicklungsländer die gesamte Ausrichtung der Konferenz in Frage. Eine neue Welthandelsrunde, also einen weiteren Schub der Liberalisierung, wollen diese Länder auf keinen Fall. Sie argumentieren, dass sie zunächst einmal mit den oft nachteiligen Ergebnissen der bisherigen Deregulierung des internationalen Handels zurechtkommen müssten. Gerade afrikanische Staaten erleben, dass ihre Kleinbauern nicht mehr konkurrenzfähig produzieren können, wenn die Unternehmen westlicher Staaten ihre oftmals staatlich subventionierten Lebensmittel dort verkaufen dürfen. Auch Indien fordert, vor neuen Anstrengungen zur Liberalisierung erst den heutigen Zustand der Weltwirtschaft einer kritischen Betrachtung zu unterziehen.

Schwellenländern wie Brasilien und Südkorea stößt sauer auf, dass der Text der Abschlusserklärung sehr blumig bleibt, wenn es um Importhindernisse in den Industrieländern des Nordens geht. Die Einfuhr von Stahl aus Brasilien und Südkorea in die USA scheitert oft an den hohen amerikanischen Importzöllen. Über deren Abschaffung oder Verringerung, die die Schwellenländer fordern, schweigt das Dokument jedoch.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Agrarsubventionen der Europäischen Union. Die so genannte Cairns-Gruppe von Agarexporteuren, zu denen unter anderem Argentinien gehört, fordert deren Verringerung und moniert nun, dass sich dazu im Textentwurf fast nichts findet.

Einerseits steht also in den Sternen, ob die Konferenz überhaupt zu irgendeinem greifbaren Ergebnis kommt. Andererseits geraten bisher starre Positionen etwas in Bewegung. Vor dem Hintergrund der Angriffe auf die USA und die amerikanische Bombardierung Afghanistans stellt Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) Ungerechtigkeiten im Welthandel fest, die es zu beseitigen gilt. Die Menschen in den Entwicklungsländern müssten an den Früchten der Globalisierung teilhaben, sagte Eichel gegenüber der Financial Times Deutschland. Gerade Agarsubventionen, die die Produktion von Lebensmitteln in armen Ländern unterbinden würden, hätten wenig Sinn. „Die Subventionen müssen runter“, so Eichel. „Wir müssen den Ländern der Dritten Welt helfen, sich selbst eine Zukunft zu erarbeiten.“

In eine ähnliche Richtung hatte das britische Wirtschaftsmagazin Economist spekuliert. Eine Einigung in Katar könnte leichter werden, weil Industrieländer, unter Führung der USA, zu größeren Zugeständnissen bereit seien. Diese würden notwendig, um die Anti-Terror-Allianz gegen den mutmaßlichen Urheber der Angriffe auf New York, Ussama Bin Laden, zusammenzuhalten. Die Verhandlungsposition islamischer Länder wie Pakistan und Ägypten habe sich deshalb verstärkt, vermutet der Economist. In der Tat scheint es etwa in der EU die Bereitschaft zu geben, diesen Ländern auch möglicherweise finanziellen Ausgleich zukommen zu lassen, wenn infolge der Streichung von Exportsubventionen im Norden die Lebensmittelimporte in diese Länder teurer werden.

Die Vorbereitungen für das Treffen in Katar liefen derweil trotz der Angriffe auf New York und des Gegenangriffs der USA weiter, sagte unlängst WTO-Chef Mike Moore. Die WTO-Staaten hatten in den vergangenen Wochen debattiert, ob sie das Treffen in dem arabischen Land absagen sollen.

In der WTO sind 142 Länder organisiert; in Katar sollen auch die Volksrepublik China und Taiwan aufgenommen werden. Ein erster Anlauf für eine neue Welthandelsrunde war im Dezember 1999 in Seattle gescheitert.

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