: Wir können die USA schlagen
NEUE FREUNDE (1): Warum die Chinesen lieber Fussball spielen als Soldaten nach Afghanistan zu schicken
GEORG BLUME über ein Frühstück mit Pekinger Schauspielschülerinnen nach einer durchgefeierten Bombennacht über Afghanistan.
Man möchte heute Schauspielstudent in China sein und so frei von Kriegsangst und Terrormanie in die Zukunft schauen wie die drei jungen Tänzerinnen Wang Meiling, Zhu Mei und Li Hong! Erstsemestler an der Pekinger Schauspieluniversität sind sie, zusammen knapp über fünfzig Jahre alt, und frühstücken nach einer durchgefeierten Bombennacht über Afghanistan im McDonald’s um die Ecke von ihrem Studentenwohnheim.
Es gibt Kaffee, Pommes frites und Apfeltasche. Dabei tragen Wang, Zhu und Li McDonald’s zu Ehren ihr volles Outfit: Denn die für chinesische Verhältnisse fein-sauberen Hamburger-Lokale sind Treffpunkte für Pekings modebewusste Jugend. Wang tritt auf in Turnschuhen mit Union Jack, einem tiefgeschnittenes Balletthemd mit Yves-Saint-Laurent-Kennzeichnung, darüber Sonnenbrille und Baseball-Kappe auf den langen rotbraun gefärbten Haaren.
Wang sieht man es von weitem an: Sie macht sich „keine Gedanken über den Krieg“. Ich aber lasse das nicht durchgehen und weise darauf hin, dass Afghanistan ein Nachbarland Chinas sei. Ob es denn nicht leichtfertig sei, die Nächte durchzufeiern, wenn an der Grenze Krieg herrscht, will ich von den Teenagern wissen. Endlich wachen die Mädchen auf und setzen ihre Sonnebrillen ab.
Ihre Augen sagen: „Was will dieser Typ eigentlich?“
Laut sagen sie: „Wir hatten doch allen Grund zu feiern!“
Womit der Themawechsel unvermeidlich ist. Fussball. Für die ignoranten Westler, die es noch wissen: China hat sich in der Nacht, als der Krieg in Afghanistan begann, zum ersten Mal für eine Fussball-WM qualifiziert. „Wir haben vor Freude geweint“, gestehen Wang, Zhu und Li. Auch die letzte Nacht hätten sie mit Fussball-Videos verbracht.
Zhu ist ausgebildete Tänzerin. Um den Hals trägt sie ein blaues Handy mit Delphin-Anhänger. Sie spricht von einem „historischen“ Ereignis. „Fussball ist für uns wichtiger als der Krieg, denn er öffnet einen Kanal, über den wir mit der ganzen Welt kommunizieren können. Der Krieg dagegen zerstört Kommunikation.“
Als wäre das noch nicht klar und schön genug gesagt, setzt Li, die Schweigsame unter den Drei, nach: „Die WM-Qualifikation bedeutet, dass wir endlich raus aus Asien kommen. Die Olympischen Spiele in Peking in sieben Jahren bedeuten das gleiche: Dann kommt die Welt zu uns. In diesem Sinn glaube ich an Frieden, und nicht an Krieg.“
So viel Weisheit verschlägt einem natürlich die Sprache. Die Ernsthaftigkeit und Geradlinigkeit, mit der selbst solche Chinesen mir antworten, vom denen ich auf den ersten Blick beides nie erwarten würde, überrascht mich immer wieder. Es gibt in diesem Land, abseits der Macht, wenig Ironie und Zynismus – und das obwohl die Chinesen sehr schlagfertig sind.
Ausserdem haben Wang, Zhu und Li natürlich recht: Man muss die Siege feiern, wie sie fallen. Zumal die spontanen Massenfeiern, wie sie in diesem Jahr gleich zweimal im ganzen Land stattfanden – erst nach der Olympia-Entscheidung und jetzt nach der WM-Qualifikation – zur rechten Zeit kommen: Nämlich im Augenblick politischer Gefahr.
Die Show amerikanischer Militärmacht in Afghanistan könnte man in China auch als weitere imperialistische Demütigung erleben. Doch statt die Volksarmee an die Front ins Himalaja schicken zu wollen, ziehen die meisten Chinesen heute die fußballerische Auseinandersetzung mit Amerika vor: „Zumindest die USA können wir schlagen“, sagt Wang und kuckt ganz glücklich.
Fussball ist eben wichtiger als Krieg.
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