Ja oder Nein?: Mehr Augenmaß
■ Wie steht Bremen zum Krieg? Eine kleine Serie der taz, Teil 11
Als Bremer Europaabgeordnete der SPD nimmt Karin Jöns die Brüsseler Perspektive ein.
taz: Wo sehen Sie die aktuelle Position Europas?
Die Krise nach den Terroranschlägen hat gezeigt: Wir brauchen mehr und nicht weniger Europa. Für die EU standen von Anfang an zwei Botschaften im Vordergrund: Wir dürfen keinen Kampf der Kulturen vom Zaune brechen, besonnenes Handeln und differenziertes Reden heißen die Gebote der Stunde. Zweitens, wir brauchen eine umfassende Strategie zur Bekämpfung der Ursachen von Terrorismus.
Welche Rolle kann und soll Ihrer Meinung nach das „zivile“ Europa hierbei einnehmen?
Gerade in der „zivilen“ Politik liegt die Stärke der EU. Hier kommt ihr an der Seite der UNO eine führende Rolle zu.
Was kann Europa ganz konkret zur Konfliktlösung beitragen?
Diplomatisch muss die EU ihr Gewicht in der Region um Af-ghanistan und im Nahen Osten voll einbringen. Darüber hinaus muss die EU noch aktiver werden im Kampf gegen Armut, Unterdrückung und soziale Ungleichheiten und dies auch von anderen reichen Staaten einfordern. Denn hier liegt eine wesentliche Ursache für die derzeitige Krise. Als EU haben wir übrigens zügig finanzielle Mittel für humanitäre Soforthilfe bereit gestellt.
Grenzt sich das „zivile“ Europa von der NATO ab?
Die EU ist kein Militärbündnis. Ihre Politik ist viel breiter angelegt, angefangen vom Kampf gegen unkontrollierten Waffenhandel, über aktive Entwicklungspolitik bis hin zur Schaffung einer gerechteren Welthandelsordnung.
Wie schätzen Sie die nationalstaatlichen Reaktionen ein, die derzeitig zu beobachten sind?
Was die nationalen Maßnahmenkataloge zur Terrorismusbekämpfung betrifft, so plädiere ich für mehr Augenmaß. Vielen geht es hier offensichtlich mehr um den Schutz vor der eigenen Angst als um eine wirksame Bekämpfung des Terrorismus. Anstelle von nationalem Aktionismus fordere ich vielmehr dringend europäische Lösungen in Feldern wie Flugsicherheit, Geldwäsche und Verbrechensbekämpfung.
Grundsätzlich: Halten Sie Krieg für eine adäquate Reaktion auf derartige Terroranschläge? Was kann ergänzend oder alternativ zur Konfliktlösung führen?
„Bomben“, „Brot und Bomben“ oder „Brot“ allein führen zu keiner Konfliktlösung. Neben humanitärer Hilfe muss für Afghanistan unter Führung der UNO ein Plan für Friedens- und Wiederaufbau entwickelt werden. Konflikte müssen natürlich gelöst werden, aber zukünftig sollten wir endlich mehr tun, um Krisen früh genug vorzubeugen.
Fragen: aro
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