: Regierung will Vollmacht
Der Antrag des Kabinetts lässt den Einsatzort für deutsche Soldaten allzu offen
FREIBURG taz ■ Die Bundesregierung hätte gerne eine weitgehende Blankovollmacht für die kommenden deutschen Militäreinsätze. Dies geht aus einem Kabinettsantrag hervor, über den der Bundestag heute beraten wird. Die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts werden so kaum erfüllt.
„Der Deutsche Bundestag stimmt der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der Operation ENDURING FREEDOM zu, wie sie die Bundesregierung am 7. November 2001 [. . .] beschlossen hat.“ So lautet der entscheidende Satz in dem Antrag der Bundesregierung, der heute im Anschluss an eine Regierungserklärung Gerhard Schröders von den Parlamentariern beraten wird. In der Anlage findet sich dann der angesprochene Kabinettsbeschluss, der den Einsatz nur teilweise präzisiert. Aufgelistet ist dort immerhin, aus welchen Truppenteilen sich die maximal 3.900 Mann zusammensetzen. Die Liste entspricht der Ankündigung des Kanzlers vom Vortag. Außerdem wird die Einsatzdauer „zunächst auf 12 Monate“ begrenzt, vor einer Verlängerung soll der Bundestag erneut gefragt werden.
Äußerst vage ist allerdings das mögliche Einsatzgebiet der deutschen Truppen beschrieben. Neben dem Gebiet der Nato-Staaten kommen auch „die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nordostafrika sowie die angrenzenden Seegebiete“ in Frage. Einschränkend heißt es nur, dass die Bundeswehr – außer in Afghanistan – stets in Staaten eingesetzt werde, deren Regierung zuvor zugestimmt habe. Ein Kriegseinsatz der Bundeswehr zum Beispiel gegen Irak wäre damit nicht gedeckt.
Dennoch dürfte das geplante Verfahren gegen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1994 verstoßen, in dem die Bundeswehr zum „Parlamentsheer“ geadelt wurde. Dort heißt es ausdrücklich, dass der Bundestag „über den konkreten Einsatz“ beschließen muss. Blankovollmachten an die Regierung wären demnach wohl kaum zulässig.
Nach der Kabinettsvorlage würde dagegen der Verteidigungsminister „im Einvernehmen“ mit dem Außenminister den konkreten Einsatz billigen – irgendwann in den nächsten zwölf Monaten. Minister Rudolf Scharping versprach gestern lediglich, die Fraktionsvorsitzenden des Bundestags „so umfangreich und früh wie möglich“ zu informieren.
Das Verfassungsgericht wollte der Regierung zwar die „Entscheidung über die Modalitäten, den Umfang und die Dauer der Einsätze“ überlassen. Jedoch dürfte der Einsatzort der Bundeswehr keine bloße „Modalität“, sondern vielmehr zentrales Merkmal eines „konkreten Einsatzes“ sein.
Auch die von Karlsruhe eingeräumte Möglichkeit, dass das Parlament bei „Gefahr im Verzuge“, also in Eilfällen, einem Einsatz erst im Nachhinein zustimmt, spielt hier keine Rolle. Die Regierung will den Bundestag mit den konkreten Einsätzen schließlich gar nicht mehr befassen, auch nicht nach deren Beginn. Der Bundestag hätte dann nur die Möglichkeit, den Abbruch eines Einsatzes explizit zu verlangen.
Nach der morgen stattfindenden Debatte in Berlin werden am kommenden Dienstag die Fraktionen beraten. Der endgültige Bundestagsbeschluss wird am Donnerstag oder Freitag nächster Woche fallen.
CHRISTIAN RATH
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