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Drei Journalisten erschossen

Kriegsberichterstatter werden von Taliban getötet, als sie auf einem Transporter einen Vorstoß der Nordallianz begleiten. Unter den Toten: „Stern“-Reporter Volker Handloik, einst taz-Mitarbeiter

BERLIN taz ■ „Sieh dir das genau an – die ersten Schützengräben der Taliban“, soll Stern-Reporter Volker Handloik seinem australischen Kollegen Paul McGeough noch zugerufen haben. Dann geriet der gepanzerte Truppentransporter von Nordallianz-Kommandant Amer Baschir in einen Hinterhalt. Seit Sonntagabend gehören auch drei JournalistInnen zu den Opfern des Kriegs in Afghanistan. Neben Handloik (40) konnten auch die französische Radioreporterin Joanne Sutton (34) und der RTL-Korrespondent Pierre Billaud nur noch tot geborgen werden. Die Nordallianz verlor 10 Menschen, 20 wurden verletzt.

Wie McGough gestern in einem Beitrag für seine Zeitung, den australischen Sidney Morning Herald berichtete, befanden sich insgesamt sechs JournalistInnen beim Angriff auf Taliban-Stellungen am Kalataka-Berg auf dem Fahrzeug der Nordallianz. Nachdem sie zunächst anscheinend aufgegebene Schützengräben passiert hatten, wurde plötzlich von drei Seiten das Feuer auf den Panzerwagen eröffnet. Beim Versuch, über einen Abhang in Deckung zu fahren, seien die meisten der rund 20 Personen – Journalisten und Soldaten der Nordallianz –, die oben auf dem Wagen saßen, heruntergeschleudert worden oder abgesprungen, schreibt McGough.

90 Minuten brauchte der Wagen mit den Überlebenden zurück ins Camp der Nordallianz, einige konnten sich zu Fuß retten. „Der Panzer ist sehr schnell losgefahren, wir saßen hinten. Wir haben uns noch darüber lustig gemacht, dass wir einen Übersetzer mitgeschleppt hatten. Der hatte eigentlich nicht mitgewollt, aber wir haben überhaupt nicht gedacht, dass wir ein Risiko eingehen“, zitierte AFP eine weitere Überlebende, die französische Radio-Reporterin Véronique Rebeyrotte.

Diese Einschätzung wurde offenbar nicht von allen geteilt: „Wir müssen angemessen auf den Tod unserer Kollegen reagieren“, so McGough: „Wir sind aufgrund unser eigenen Entscheidung hier und wir alle sind das kalkulierte Risiko dieser nächtlichen Fahrt mit Baschir eingegangen.“

Auch Handloik dürfte klar gewesen sein, wie gefährlich sein Einsatz war. Kein typischer Kriegsreporter sei der vor allem für Stern und Spiegel arbeitende Journalist gewesen, hieß es gestern unter seinen Kollegen – neugierig, aber kein Draufgänger.

Der in Rostock geborene Handloik war in den letzten Jahren bereits in Krisenregionen wie Tschetschenien und dem Kosovo im Einsatz und galt als Experte für die Regionen ums Kaspische Meer. Gut zwei Wochen habe er vor seiner Einreise in das von der Nordallianz kontrollierte Gebiet Afghanistans am vergangenen Donnerstag in der tadschikischen Hauptstadt Duschambe festgesessen, weil es keine Transportmöglichkeiten gab. Wie die meisten deutschen Reporter in Krisenregionen war Handloik freier Mitarbeiter des Stern. Das Magazin soll in den letzten Monaten vergeblich versucht haben, Journalisten für die Berichterstattung aus Afghanistan anzuwerben, hieß es gestern in Branchenkreisen.

Stern-Chefredakteur Thomas Osterkorn zeigte sich gestern vom Tode Handloiks „betroffen und sprachlos. Wir waren in Afghanistan von Anfang an extrem vorsichtig und haben den Reportern immer wieder gesagt, dass sie kein persönliches Risiko eingehen sollen“, sagte Osterkorn. Jetzt seien in Afghanistan noch zwei Reporter für das Blatt im Einsatz. Handloik habe eine Geschichte über das Vorrücken der Nordallianz und über die verschiedenen „Kriegsherren“ recherchiert. Sie sei zu mehr als drei Vierteln abgeschlossen und werde in der nächsten Ausgabe gedruckt.

Anfang der Neunzigerjahre hatte Volker Handloik auch für die taz geschrieben – allerdings mit ganz anderen Themenschwerpunkten: Der Comicspezialist rezensierte die einschlägigen Galerien des vereinigten Berlin und widmete sich in derKolumne: „Rotkäppchens Feuertanz“ dem pulsierenden Kneipenleben in Prenzlauer Berg und anderswo. STEFFEN GRIMBERG

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