: Schlechte Aussichten trotz Soli II
Bis auf die FDP stimmen alle Bundestagsparteien dem neuen Solidarpakt zu. Ostdeutsche Politiker bedanken sich herzlich. Aber von Euphorie keine Spur: Nach jüngsten Prognosen werden die Gestaltungsräume der Haushalte Ost immer enger
aus Dresden MICHAEL BARTSCH
„Wir brauchen für die Herstellung der inneren Einheit eine Generation. Es ist Aufgabe und Verabredung des Solidarpaktes II, sie dann hergestellt zu haben.“ Wie Finanzminister Hans Eichel (SPD) sprachen gestern Abgeordnete aller Parteien von „langfristiger Planungs- und Gestaltungssicherheit für die neuen Länder“.
Mit Ausnahme der FDP stimmten alle Fraktionen im Bundestag dem „Solidarpaktfortführungsgesetz“ zu. Mit ihm verbunden sind eine Streckung der Tilgung des Fonds Deutsche Einheit sowie eine Neuregelung des Länderfinanzausgleiches und Bundestransfers an die neuen Länder in einer Gesamthöhe von 156 Milliarden Euro bis zum Jahr 2019. „Alternativen: Keine“, stand unter dem Gesetzentwurf.
Ostdeutsche Rednerinnen wie Antje Hermenau (Bündnis 90/Grüne) und Sabine Kaspareit (SPD) zeigten sich dankbar für die gesamtdeutsche Solidarität. Doch von Euphorie keine Spur. Sachsens Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) erwartete bereits Ende Juni nach der Einigung der Länder „im günstigsten Fall real stabile Haushalte“ für die Beitrittsländer. Schon bis zum Greifen der neuen Solidarpaktregelung im Jahr 2005 weisen deren aktualisierte Finanzplanungen eine real sinkende Tendenz aus. Seit drei Jahren bleiben die Wachstumsraten Ost wieder deutlich hinter den westdeutschen Zuwächsen zurück. Die Folge sind Haushaltssperren im laufenden Jahr. Sachsen-Anhalt erwartet für das kommende Jahr Steuermindereinnahmen von 344 Millionen Euro, Brandenburg rechnet mit einem Minus von 148 Millionen. Von einer Erhöhung der Steuerdeckungsquote, die derzeit im Osten bestenfalls um 50 Prozent liegt, wird aber ein Ausgleich der ab 2009 sinkenden Bundeszuweisungen entscheidend abhängen.
Eine Hochrechnung Sachsens bis zum Jahr 2019 fällt noch ernüchternder aus. Danach sinkt das Haushaltvolumen des Freistaates ab 2009 auch nominell. Zugrunde gelegt wird nur noch ein Wachstum der gesamtstaatlichen Einnahmen von 1,5 Prozent jährlich. Für die Ausgaben werden konservativ Tarifsteigerungen von drei und Sachkostenerhöhungen von zwei Prozent jährlich angenommen. Biedenkopf hatte deshalb im Juni bereits von einer „doppelten Degression“ durch sinkende Solidarpaktzuweisungen und die Geldentwertung gesprochen. Mit Ausnahme Brandenburgs, das seine Nettokreditaufnahme jetzt wiederum erhöht hat, wollen die meisten Ländern die bescheidenen Zuwächse zur Schuldentilgung einsetzen, um die Haushalte nicht noch mehr durch den Schuldendienst zu belasten.
Die Auswirkungen der Steuerreform und die Länderbelastungen durch den Familienlastenausgleich sind im Osten besonders zu spüren. Dazu kommt ein Bevölkerungsschwund von zehn Prozent seit 1990 durch die Halbierung der Geburtenzahl und den Wegzug gen Westen.
Auch von dem der Natur nach dynamischen Länderfinanzausgleich sind keine entscheidenden Mitzieheffekte durch reiche westdeutsche Länder zu erwarten. Ein weiteres Einnahmerisiko liegt in dem für das Jahr 2007 erwarteten EU-Beitritt der osteuropäischen Kandidaten. Durch die damit verbundene Absenkung des Gesamtdurchschnitts könnten die ostdeutschen Länder ihren Status als Ziel-1-Gebiet und damit erhebliche Fördergelder verlieren.
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