Mullah Omars Schatzkiste

Die Medien und der Krieg: CNN-Team muss eine sensationelle Entdeckung zurückhalten

Schicht für Schicht arbeiteten sich die beiden amerikanischen Reporter durch den Müllberg

KANDAHAR taz ■ CNN-Reporter haben in einem Haus des Taliban-Führers Mullah Omar einen erstaunlichen Fund gemacht – die Welt weiß jedoch noch nichts davon. Peter Gromboundsky und sein Kameramann John Wong sollten für den amerikanischen Nachrichtensender einen Hintergrundbericht über den Bin-Laden-Unterstützer Omar drehen. „Wir wollten eigentlich nur einmal nachsehen, wie so ein Mullah lebt“, erzählt Peter Gromboundsky, „und um ehrlich zu sein, brauchten wir ziemlich viele Bilder für die Reportage, weil es ja so wenig Fotos von Omar gibt.“

Das Haus, das Gromboundsky betrat, liegt in der Burka-Gasse 5 in Kandahar. Es ist ein weißer Flachbau mit zwei Stockwerken. Beim Einrücken der Nordallianz in die Stadt wurde es leicht beschädigt: Die Fensterscheiben sind zerborsten, die Haustür fehlt. In den Zimmern waren nur noch wenige Einrichtungsgegenstände zu sehen, so Gromboundsky; vermutlich, weil Plünderer am Werk gewesen waren. „Im größten Raum lagen noch einige Kissen am Boden, und an den Wänden hing ein Moschee-Poster. Wir dachten schon, na gut, dann gehen wir eben wieder, als uns das Sofa misstrauisch machte.“

Ein Sofa – das ist in der Tat ein ungewöhnliches Möbel in einem Land, unter dessen Regime bis vor kurzem Musik, Nagellack und Sofas verboten waren. Gromboundsky beschloss, das Möbel näher zu untersuchen. „Es war verdammt groß und sah aus, als ob es sehr lange Beine hätte. Es wirkte sehr hoch und stand auch enorm schräg. Also sagte ich zu John, er solle mal an das eine Ende gehen und anpacken, damit wir dieses Monster von der Stelle bewegen könnten. Das war verfickt schwer, aber gemeinsam schafften wir es. Und dann sahen wir es, und ich schöre bei Gott, so etwas habe ich noch nie gesehen.“

Unter dem Sofa, das die mutigen Journalisten beiseite gestellt hatten, bot sich ein Bild des Grauens: „Da lag unvorstellbar viel Müll. Benutzte Taschentücher, leere Feuerzeuge, Hühnerknochen, ein einzelner Turnschuh, eine kaputte Polaroid-Kamera – baah!“ Gromboundsky schüttelt sich. „Es war scheußlich, aber wir begannen, den Kram zu untersuchen.“

Schicht für Schicht arbeiteten sich die beiden Männer durch den Müllberg. Und dann, als sie schon fast am Boden angelangt waren, machten sie ihre Entdeckung. „Uns stand wirklich für einen Moment das Herz still, aber vielleicht war das auch gut so, denn dadurch machten wir nicht den Fehler, die Gegenstände zu berühren und eventuelle Fingerabdrücke zu verwischen. Jedenfalls blickten wir in einen deckellosen Schuhkarton, und darin lagen die Videokassette, eine Bürste voller grauer Haare und ein Smiley-Anstecker – Sie wissen schon, ein gelber Knopf mit zwei Punkten als Augen und einem geschwungenen Bogen, der ein breites Lächeln darstellt. Es war sensationell: Wir hatten Mullah Omars Schatzkiste gefunden. John begann sofort zu drehen, und ich rief in der Redaktion an.“

Bei CNN war man begeistert und bereitete alles für eine „Breaking News“-Sendung vor, doch zur Ausstrahlung der Bilder aus dem Mullah-Haus ist es bis heute nicht gekommen. „Selbstverständlich musste das Weiße Haus informiert werden“, sagt Gromboundsky mit leicht bedauerndem Unterton, „und von dort erhielten wir Anweisung, die Nachricht zurückzuhalten, bis die Kiste genau untersucht worden ist. Allerdings“, Gromboundskys Gesicht hellt sich wieder auf, „können wir wohl nächste Woche damit auf Sendung gehen, und wir haben auch schon ein Exklusiv-Interview mit Condoleezza Rice dazu im Kasten.“

Was die Untersuchungen ergeben haben, darüber darf Gromboundsky nicht sprechen. „Details kann ich nicht verraten, nur so viel: Die Haare in der Bürste sind weiß und grau stammen von einem verdammt langen Bart . . . Kombinieren Sie einfach ein bisschen. Der Smiley-Anstecker ist natürlich eine besonders ekelhafte Sache. Condoleezza sagt, dass Omar ihn unmittelbar nach den Anschlägen in New York getragen haben muss, als Zeichen der Freude über den Terrorakt. Aber das wird dem Mutterficker das Genick brechen.“ Und das Video? „Keine Ahnung. Sie übersetzen es noch, und wenn sie fertig sind, werden wir Ausschnitte zeigen.“

IDA SCHMIDT