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Auf konventionelle Weise innovativ

Das Fraunhofer-Institut bezog einen Neubau, der ohne Mehrkosten den Standard der neuen Energieeinsparverordnung deutlich unterbietet

Auf acht Standorte in Freiburg war das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) zuletzt verteilt. Jetzt haben die 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des größten europäischen Solarforschungsinstituts zusammengefunden. Ende November konnten sie einen Neubau mit gut 13.000 Quadratmeter Netto-Grundfläche nahe den Universitätskliniken im Freiburger Nordwesten beziehen. Und es liegt nahe, dass es – wenn renommierte Solarforscher bauen – kein gewöhnliches Labor- und Bürohaus werden konnte.

Ein ausgefallenes Ökohaus aber wurde es genauso wenig – und dennoch hat es Charme. Denn das Institut baute so konventionell, dass jeder Bauherr das Konzept bedenkenlos übernehmen kann. „Es ist kein Experimentalhaus“, betont ISE-Mitarbeiter Sebastian Herkel aus der Arbeitsgruppe Solares Bauen. Das Gebäude wurde allein durch die Konsequenz der Planer zu etwas Besonderem.

„Wir wollten schließlich kein Gebäude bauen, das so unkonventionell ist, dass es mögliche Nachahmer abschreckt“, erklärt Architekt Sören Andersen vom Kopenhagener Büro Dissing + Weitling. Und dennoch ist auch ohne revolutionäre Neuerungen der Erfolg beachtlich: Der Primärenergieverbrauch je Quadratmeter wurde selbst gegenüber der verschärften Energieeinsparverordnung um ein Viertel reduziert. Die notwendige Heizenergie liegt bei nur 50 Kilowattstunden je Quadratmeter im Jahr – und dies bei gleichen Baukosten wie bei einem konventionell gebauten Gebäude. Denn es gab eine klare Vorgabe: Der Bund und das Land hatten als Geldgeber die Finanzmittel auf 70 Millionen Mark gedeckelt.

Bis das ISE das Werk erfolgreich vollenden konnte, waren Know-how und Kreativität gefragt. So spart zum Beispiel ein Erdwärmetauscher im Winter Heizwärme und im Sommer Kühlleistung. Denn die Außenluft wird vor Eintritt in die Räume durch Kunststoffrohre geleitet, die sechs Meter tief im Boden vergraben liegen, wo es im Sommer angenehm kühl und im Winter noch relativ warm ist.

Eine ordentliche Wärmedämmung, Wärmerückgewinnung und effiziente Energieumwandlung sind das Rückgrat des Energiekonzepts. Die Lüftungsanlage wurde mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. „Damit können wir 70 Prozent der Wärme aus der Abluft wieder nutzen“, sagt Ingenieur Herkel.

Ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk (BHKW) ist mit einer Absorptionskältemaschine zum Kraft-Wärme-Kälte-Verbund gekoppelt. Im Winter dient die Abwärme zum Heizen, im Sommer wird sie in Klimakälte umgewandelt. Die Abwärme des BHKW wird außerdem zur Entfeuchtung der Zuluft des Reinraums verwendet – das einzige Pilotprojekt in dem Neubau.

Auch die Sonne wird natürlich vielfältig genutzt. 20 Quadratmeter Solarkollektoren sorgen für warmes Wasser in der Kantine. Photovoltaikmodule mit zusammen 20 kW Leistung reichen aus zur Deckung des gesamten Lichtstrombedarfs. Dabei wurden die Solarzellen architektonisch kreativ in den Bau integriert. In die Südfassade in Glas eingefasst, verhindern sie eine starke Aufheizung der Räume im Sommer, lassen aber dennoch Tageslicht durch. Und als Bestandteil eines Scheddaches im zentralen Atrium erzeugen sie künstlerisch interessante und zweckmäßige Lichteffekte.

Ohnehin wurden die Räume so gestaltet, dass das Tageslicht optimal genutzt und der Bedarf an Kunstlicht minimiert wird. Dazu tragen zum Beispiel günstige Raumproportionen bei: Die Büros wurden nicht tiefer als fünf Meter; oder deckenbündige Oberlichter, die einfallendes Sonnenlicht durch Spezialgläser an die Decke umlenken und so die Arbeitsplätze diffus erhellen. Somit werde, lässt das ISE wissen, „in einem südorientierten Büro in drei Meter Raumtiefe nur zu 15 Prozent der Tageslichtstunden Kunstlicht nötig“.

Viele der pfiffigen Ideen werden dem Institut in den kommenden Jahren und Jahrzehnten einige Kosten ersparen – und das nicht nur bei der Energieversorgung. So wird zum Beispiel auch das Regenwasser von den Dachflächen nicht – wie heute oftmals noch üblich – in die städtische Kanalisation geleitet, sondern es versickert auf einer eigens angelegten Wiesenfläche auf dem Grundstück. Beim Bau sei diese Variante zwar geringfügig teurer gewesen, sagt Architekt Andersen, doch durch die gesparte Abwassergebühr hätten sich die Mehrkosten schon in einem halben Jahr amortisiert.

So hat man in Freiburg einen ökologisch perfekt durchdachten Bau geschaffen. Allerdings hat man nicht für alles die Technik bemüht, sondern setzt auch auf die Verantwortung der Nutzer. Wer zum Beispiel im Sommer abends sein Büro verlässt, tut gut daran, die Oberlichter zum Gang hin zu öffnen, um einen wohl kalkulierten Luftstrom zu ermöglichen, der die aufgeheizten Speichermassen des Gebäudes über Nacht ein wenig herunterkühlt. Wer’s vergisst, muss am nächsten Tag die höhere Raumtemperatur ertragen – da lernen die Mitarbeiter vermutlich schnell.

Doch sie werden es gern tun. Thomas Faasch vom ISE, der die Interessen der Nutzer schon mit Beginn der Planungen im Blick hatte, weiß: Die Arbeitsplatzqualität ist schon allein durch die ausgefeilten Energiekonzepte ganz enorm gestiegen.

BERNWARD JANZING

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